„Der Titel unseres Workshops heißt Networking und Cooperation“, sagte Ingo Petz, Mitinitiator von Fankurve Ost in seinem Grußwort zur Eröffnung des Workshops „Fanprojekte und Osteuropa“. „Das ist das, was wir seit mittlerweile fünf Jahren machen. Aus unserem Projekt Fankurve Ost, das mit Seminaren zur ,Fußball-Fankultur in der Offenen Gesellschaft´ Ende März/Anfang April 2014 begonnen hat, sind mittlerweile nicht nur Netzwerke für einen Wissens- und Erfahrungstransfer rund um Fußball, Fanarbeit und Faninteressen entstanden, sondern auch viele, viele Kontakte, Bekanntschaften, Freundschaften und einige Fanprojekte, die sich in der Ukraine gegründet haben.“
Der mittlerweile dritte Workshop, der zum zweiten Mal bei unserem langjährigen Kooperationspartner, dem Fanprojekt Berlin, stattfand, hatte sich zur Aufgabe gestellt, herauszufinden und gemeinsam zu erörtern, wie künftige Partnerschaften zwischen deutschen und unseren entstehenden Fanprojekten in Osteuropa aussehen können. Angereist waren 25 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Belarus, aus der Ukraine und aus Russland. Zudem nahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fanprojekte Berlin, bei Union Berlin, Lübeck, Jena und München blau an dem Workshop teil, sowie die Koordinationsstelle Fanprojekte als Kooperationspartner. Am Eröffnungsabend waren zudem langjährige Freunde und Unterstützer von Fankurve Ost zugegen, wie beispielsweise Jochen Lesching, Vorsitzender der Stiftung 1. FC Union Berlin „Schulter an Schulter“, oder die Abteilung für Fanbetreuung von Hertha BSC. Stefan Melle, Geschäftsführer des DRA e.V. (und Träger unseres Projektes), begrüßte die anwesende Runde ebenso wie Ralf Busch, Leiter des Fanprojekts Berlin, der betonte, wie „fruchtbar die Zusammenarbeit mit Fankurve Ost“ sei. „Wir können so nicht nicht nur unsere Erfahrungen und unser Wissen rund um die Fanarbeit nach Osteuropa vermitteln, sondern können unseren Fans auch ein wenig Osteuropa näher bringen“.
Nach der Begrüßung hielt Gerd Liesegang, Vizepräsident des Berliner Fußballverbandes, einen Impulsvortrag zum Thema „Das Ehrenamt im Fußball“. Dabei beleuchtete er vor allem, in was für einem Spannungsfeld sich die Organisatoren des Fußballs und die Ehrenamtlichen bewegen, da die Qualitäts- und Professionalisierungsansprüche in den vergangenen Jahren im Amateurfußball gewachsen sein, sowie auch die gesellschaftlichen Ansprüche in Bezug auf Antidiskriminierungsarbeit und soziale Kompetenz. Nach einer Diskussionsrunde begann der informelle Teil des Abends, bei dem auf den 5. Geburtstag von Fankurve Ost angestoßen wurde. Peter Liesegang, Mitinitiator von Fankurve Ost, dankte dem Faprojekt Berlin für die langjährige Unterstützung und überreichte als Geschenk eine Auswahl an Schaschlikspießen aus Belarus, aus Russland und aus der Ukraine.
Der erste Arbeitstag begann mit einem Vortrag von Wadim Anisimow, Sportjournalist und Fan von Dynamo Moskau. In diesem beleuchtete er die historische Entwicklung von Fanorganisationen und Fanszenen in Russland und zeigte auf, aus welchen Gründen, eine Selbstorganisation von Fans und eine wie in Deutschland vergleichbare Fanarbeit auf große Probleme stößt. In weiteren Wortbeiträgen erklärten Teilnehmer aus der Ukraine und aus Belarus, warum die Situation in ihren Ländern sich ähnelt, aber dennoch frappante Unterschiede aufweist. So gehe der belarussische Staat mit drakonischen Strafen noch viel konsequenter gegen organisierte Fans vor. In der Ukraine würden sich zwar bereits einige Graswurzelstrukturen und -initiativen im Fußball entwickeln, allerdings sei die Mentalität noch sehr durch die autoritären und zentralistischen Strukturen der Sowjetunion geprägt.
Am Nachmittag referierte Philipp Beitzel, Mitarbeiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) dazu, wie Fanprojekte in Deutschland Fans bei ihren Projekten und der Wahrung und Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber Politik, Vereinen oder Verbänden unterstützen. In der anschließenden Diskussions- und Fragerunde ging es um sehr konkrete Fragen, die zeigten, wie sehr insbesondere die Ukraine an der Arbeit der Fanprojekte interessiert ist. Die Finanzierung der Fanprojekte, die gesetzliche Grundlage ihrer Sozialarbeit, die Organisation und Strukturen der Fanprojekte oder die Rolle von politischen Diskussionen in Bezug auf Gewalt oder Extremismus im Fußball waren Themen, die en détail erörtert wurden.
Der nächste Arbeitstag startete mit der Präsentation dreier konkreter Projekte, bei deren Realisierung Fans durch Fanprojekte unterstützt wurden. Matthias Stein vom Fanprojekt Jena stellte die Initiative „Südkurve bleibt“ vor, über die Fans des FC Carl Zeiss Jena die Crowdfunding-Kampagne „CrowdFanding“ ins Leben gerufen habe. Über die wurden auch Projekte außerhalb der Jena-Szene finanziert, sowie das Fanhaus Mainz. Christian Exner vom Fanprojekt München blau stellte ein Projekt zum Thema Erinnerungskultur vor, bei dem Fans der rivalisierenden Vereine 1860 München und FC Bayern München die Zeit des Nationalsozialismus und des Holocausts kritisch beleuchteten. Marion Kowal vom Fanprojekt Lübeck referierte über eine Initiative von HSV-Fans, die sich rund um das Fanhaus Hamburg entwickelt hat und mit der Flüchtlinge unterstützt werden.
Danach startete die Phase der Gruppenarbeit. Während sich die ukrainischen Teilnehmer mit der Frage beschäftigten, wie es den in der Ukraine entstehenden Fanprojekte gelingen kann, Fans für ihre lokalen Vereine und damit zur Mitarbeit zu begeistern, diskutierten die belarussische/russische Gruppe, wie ein Fan-Engagement in Russland bzw. in Belarus trotz der schwierigen politischen Rahmenbedingungen gelingen kann. Die Ergebnisse wurden in einer anschließenden Diskussionsrunde erörtert. Dabei wurde festgehalten, dass in Russland bei einem Verein wie Dynamo Moskau, der anscheinend den Dialog mit den Fans verweigert, zu Beginn ein loses Treffen von Gleichgesinnten organisiert werden solle, um aus dieser Gruppe heraus Aktivitäten zu organisieren. Zudem wird angestrebt, beim russischen Fußballverband für einen Workshop bzw. Arbeitstreffen zum Thema „Fanarbeit“ zu werben. Die Teilnehmer aus der Ukraine, die bei Fußballverbänden oder in Ministerien arbeiten, brachten die Idee ein, einen Workshop in Kyiw zu organisieren, bei dem es um sehr konkrete Fragestellungen in Bezug auf Fanarbeit bei Fußballvereinen oder Organisation des Amateursports und dessen Unterstützung durch Verwaltung und Politik gehen solle. Philipp Beitzel schlug vor, für alle Aktiven des Fankurve Ost-Netzwerkes eine Kommunikations- und Austauschplattform einzurichten, über die die Teilnehmer die für ihre Projekten Fragen diskutieren könnten und spezifische Fragen an die deutschen Fanprojekte bzw. an die KOS stellen könnten. Der Tag ging mit unserem traditionellen Grillabend zu Ende, bei dem noch bis in die späten Abendstunden über Fußball und Fanszenen diskutiert wurde.
Bei der abschließenden Feedbackrunde wurde einmal mehr betont, wie „bereichernd“ und „Horizont erweiternd“ der direkte Austausch während der Workshops sei. Zum Abschluss ging es für die osteuropäischen Teilnehmer ins Olympiastadion zum Bundesligaspiel Hertha BSC gegen Fortuna Düsseldorf, zu dem Hertha BSC die Gruppe eingeladen hatte.
Wir bedanken uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops, beim Fanprojekt Berlin für die Unterstützung und bei der KOS für die Partnerschaft und beim Auswärtigen für die finanzielle Unterstützung.