Austausch und Dialog im Rahmen von internationalen Spielen


Bereits im Juni dieses Jahres haben wir rund um das EM-Qualifikationsspiel Belarus – Deutschland in Minsk und Baryssau eine Fanbegegnung organisiert. Partner bei dem Workshop war die DFB-Kulturstiftung. Aufgrund der starken Resonanz kam damals schon die Idee auf, auch das Rückspiel in Mönchengladbach für ein derartiges Seminar zu nutzen, was wir jetzt umgesetzt haben. Diese intensive Fanbegegnung fand vom 13. bis 18. November 2019 in Köln und Mönchengladbach statt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren Journalisten, aktive Fans, Faninitiativen wie League of Tolerance oder Vereinsmitarbeiter wie beispielsweise von Dinamo Minsk, Metalurgh Zaporizhya oder des FK Sochi aus Belarus, aus der Ukraine oder aus Russland. Bei der Organisation wurden wir tatkräftig und ideenreich vom Kölner Fanprojekt und von Britta Klose, Fanbeauftragte beim DFB, unterstützt, wofür wir uns an dieser Stelle bereits ausdrücklich bedanken.

 

Bei einem Reibekuchen-Essen in einem klassischen Kölner Brauhaus lernte sich die Gruppe am Tag der Anreise kennen. Um unsere Netzwerke in bestimmte Richtungen zu stärken, hatten wir fünf Teilnehmer ausgewählt, die wir bereits aus vorangegangen Veranstaltungen kannten. Alle andere mussten sich, wie gehabt, mit einem Lebenslauf und einem Motivationsschreiben bei Fankurve Ost bewerben. Der erste Arbeitstag begann schließlich mit einem Vortrag von Philipp Beitzel von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS), der die eingehende und vielschichtige Arbeit der über 60 sozial-pädagogischen Fanprojekte in Deutschland darstellte, die sich spätestens seit Anfang der 1990er zu einer wichtigen Säule in der professionellen Fanarbeit etabliert haben und die Professionalisierung der Fanarbeit wesentlich mitgestaltet haben. In der zweiten Runde präsentierten Torben und Jana von der FC-Stadionakademie, eine Filiale der Initiative Lernort Stadion e.V., ihre gesellschaftspolitische Bildungsarbeit im Rahmen von Fußball und Stadion. Bei einer praktischen Übung zum Thema Gewalt lernten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Methode der Initiative kennen, über das Spielerische Diskussionen und Reflexionen anzustoßen. Danach ging es schließlich zum RheinEnergieStadion, wo der 1. FC Köln seine Heimspiele austrägt. Bei einer lebendigen und informativen Tour lernte die Gruppe die Geschichte des Stadions aber auch die Abläufe an einem Bundesligaspieltag kennen. Am Abend stand schließlich ein Treffen mit Christopher Kohl auf dem Programm, einem FC-Fan, der für Effzeh.com schreibt – einem Blog, der ehrenamtlich betrieben wird und der sich kritisch mit der Vereins- und Sportpolitik beim 1. FC Köln beschäftigt. Zudem war Felix Tamsut zu Gast, einem freien Journalisten aus Israel, der seit fünf Jahren in Köln lebt und der sich in Verein und Stadt verliebt hat.

 

Der zweite Arbeitstag führte uns schließlich in die Räumlichkeiten des Kölner Fanprojekts, wo uns Hendrik Hübel die sozialpädagogische Arbeit mit der FC-Fanszene näherbrachte. Danach war Mirko Pintgen zu Gast, der als Fanbeauftragter beim 1. FC Köln arbeitet und der in seinem Vortrag die vielschichtige Arbeit mit und für die Fans beim Effezh darstellte – sowie den Dialog mit den Fanclubs, die Inklusion von FC-Fans mit Behinderung oder die Organisation von Veranstaltungen für die Fanszene. Beim anschließenden Besuch in der Redaktion der Kölnischen Rundschau erfuhren wir in einem lebendigen Gespräch, welche herausragende Bedeutung der 1. FC für Stadion und Region hat und wie schwierig sich die journalistische Arbeit über und zum FC darstellen kann. Die Redakteure Jens Meifert und Martin Sauerborn berichteten dabei auch, wie sich die Arbeit für eine gedruckte Zeitung durch die Digitalisierung in den vergangenen Jahren verändert hat. Zum Abschluss des Tages erfuhren wir von der schrecklichen Geschichte des NS-Dokumentationszentrums, wo sich zur Zeit der Nationalsozialisten ein Gestapo-Gefängnis befand. Wadim, ein Teilnehmer aus Moskau, urteilte nach dem Seminar: „Das war vor allem für Osteuropäer ein wichtiger und bewegender Programmpunkt, da wir unsere Geschichte mit dem Stalinismus noch nicht mal ansatzweise aufgearbeitet haben.“

 

Der nächste Tag führte uns schließlich nach Mönchengladbach, wo Britta Klose vom DFB ein fulminantes Programm für die Gruppe organisiert hatte. Zunächst besuchten wir die FohlenWelt, in dem der Besucher interaktiv in die Geschichte von Borussia Mönchengladbach eintaucht. Im Zelt des Fan Club Nationalmannschaft erklärte Britta Klose schließlich, wie Fanarbeit im Rahmen von internationalen Spielen funktioniert. Zudem erläuterte sie die Arbeit des Team Fan-Belange zum Thema Fan-Dialog. Patrick Arnold, Leiter der Landesarbeitsgemeinschaft Fanprojekte NRW, berichtete darüber, wie sich der Fußball in Kulturveranstaltungen (Fußball-Kulturtage NRW) nutzen lässt, um wichtige gesellschaftspolitische Themen zu transportieren. Und Lukas Nesgen brachte uns die Arbeit des Fan Club Nationalmannschaft näher. Danach ging es zum Spiel in den BORUSSIA-PARK, wo die Gruppe ein ungefährdetes 4:0 des deutschen Teams gegen Belarus sah.

 

Am letzten Tag besuchte ein Teil der Gruppe das Regionalliga-Spiel Fortuna Köln – Borussia Dortmund II im Kölner Südstadion, bevor es zum letzten geselligen Abend auf die sogenannte Schäl Sick nach Köln-Deutz ging, wo wir im Brauhaus ohne Namen auf die beiden Videoblogger Michael Wurzer und Thomas Lambertz trafen, die als FC-Fans den Blog Zwei Kölsch betreiben. In ihrem sehr lebendigen und anschaulichen Vortrag wurde nochmals deutlich, auf welch hohem Niveau sich Fans mit der Politik ihres Vereins auseinandersetzen und diese über Blogs etc. auch mitgestalten wollen. Bei der abschließenden Feedback-Runde wurde einmal mehr deutlich, wie bereichernd die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den „Spaziergang“ durch die institutionalisierte Fankultur erleben. „Wir haben so viel erlebt und gesehen, das ich das erstmal verarbeiten muss“, sagte Alexandra aus Belarus. „Aber ich bin mir sicher, das sich das darauf auswirkt, wie ich ab sofort Fußball und Fankultur betrachte.“ Ein Teilnehmer aus Russland merkte an, dass man durch die Teilnahmen nicht nur vieles über eine gut organisierte Fankultur lerne, sondern man damit auch Teil „eines sehr lebendigen Netzwerkes“ werde, das „für bestimmte Werte einsteht“ und die Fußball-Fankultur in Osteuropa verbessern wolle. Die Idee des Seminars war es, internationationale Spiele wie das EM-Qualifikationsspiel für einen kulturellen und inhaltlichen Austausch zu nutzen. Genau diese Idee wollen wir auch künftig vorantreiben.

 

An dieser Stelle bedanken wir uns bei allen, die dieses Programm unterstützt haben. So auch bei unserem Sponsor, dem Auswärtigen Amt, sowie beim German Marshall Fund of the United States und bei der DFB-Kulturstiftung, die verschiedene Programmteile und Inhalte möglich machten.