BELARUS
Schiwje Belarus – ZSKA Moskau -Trainer zeigt Haltung
Wie Pressbol berichtet, wurde
Viktor Gontscharenko, der belarusische Trainer von ZSKA Moskau, im Oktober zum Trainer des Monats
Oktober in der russischen Premier Liga gewählt und ihm auch deshalb die bereits erwähnte,
außergewöhnlich ausdrucksstarke Titelseite auf Sowietski Sport gewidmet, auf der eben jener
abgebildet ist -mit der Überschrift "Zhyvje Belorus", Es lebe der der Belaruse. Gontscharenko gilt
als bester belarusischer Trainer seiner Generation. Bereits mit 30 Jahren war er ab 2007
Cheftrainer von BATE Baryssau für einen Großteil der Erfolge der Blau-Gelben und auch für
zahlreiche Ausrufezeichen des Serienmeisters in Champions und Europa League verantwortlich gewesen.
Seit 2013 ist Gontscharenko als Trainer in Russland tätig und hat sich seit August auch immer
wieder zu zu den Ereignissen in seinem Heimatland zu Wort gemeldet. Wie Tribuna berichtet, äußerte
er sich im Interview auf einem bekannten russischen Fußballblog auch
Ende November und kritisierte die Gewaltorgien der Sicherheitsbehörden gegen friedlich
demonstrierende Demonstranten in Belarus deutlich. Gontscharenkos Aussagen, zu denen auch die
Forderung nach fairen Wahlen gehört sind in einem weiteren großen Artikel auf Tribuna zusammengefasst. Das
Jahr 2020 ließe sich für Gontscharenko, so der Artikel durch die Titelseite auf Sowietski Sport,
nicht besser ausdrücken. In dem Text werden weitere Haltungen und Wortmeldungen von anderen
belarusischen Fußballtrainern im Ausland zusammengefasst. Dazu zählt auch Alexander Khatskewitsch.
Der 47-jährige war zwischen 2014 und 2016 Cheftrainer der Nationalmannschaft von Belarus und
zwischen 2017 und 2019 Cheftrainer von Dynamo Kiyw gewesen und trainiert seitdem Premier
Liga-Aufsteiger Rotor Wolgograd. Hinsichtlich der Ereignisse in der Heimat äußerte sich
Khatskewitsch absolut eindeutig. „Die Belarusen haben 26 Jahre durchgehalten, aber alle Geduld geht
zu Ende.“ Und über die Gewaltorgien der Sicherheitskräfte: „Sie folgen Befehlen, aber jeder hat
einen Kopf auf den Schultern, jeder muss über die Konsequenzen nachdenken. Wie die Ereignisse in
der Ukraine zeigten, wurden Personen, die in der Ukraine im Zuge des Maidan verbrecherische Befehle
gaben, bestraft. Daher bin ich sicher, dass all dies auch in Belarus nicht ungestraft bleiben
wird.“
„Das, was jetzt passiert, ist klarer Faschismus“
Auch andere bekannte Persönlichkeiten der belarusischen Sport- und Fußballwelt – allerdings
vorwiegend jene, die nicht mehr in irgendeiner vom Staat abhängigen Position arbeiten oder im
Ausland vor Repressionen geschützt sind – äußerten sich in den vergangenen Wochen ungewöhnlich
deutlich. Auf Tribuna ist ein Interview
mit Alexander Krutikow zu lesen, der im vergangenen Jahr Cheftrainer der belarusischen
Basketball-Nationalmannschaft war und darin sagt: „Was jetzt m Land von den staatlichen Behörden
unternommen wird, ist klarer Faschismus. Dieser illegitime Präsident muss endlich zur Rechenschaft
gezogen werden.“
Ebenso emotional und ohne Umschweife drückt sich Gennady Tumilowitsch in einem Interview auf
Tribuna aus. Einer der wohl
besten besten Torhüter in der Geschichte der belarusischen Fußballnationalmannschaft stellte fest:
„Es ist Zeit, dass einer seine Sachen packt. Nach einem zu langen Aufenthalt an der Spitze der
Macht scheint er (Lukaschenko) den Verstand verloren zu haben.“ Zur Propaganda im staatlichen
Fernsehen sagt Tumilowitsch: „Ich schlug vor, dass ein Freund, meines Psychotherapeut, sich mal das
belarusische Fernsehen ansieht. Er stimmte zu und sagte drei Tage später, dass selbst seine am
meisten vernachlässigten und hoffnungslosesten Patienten nicht so viel Unsinn ertrugen. Dieser Arzt
hat einfach nicht verstanden, wie dieses Spiel überhaupt mit den Menschen gerieben werden kann.“
Und Sergei Michailow, Ex-Trainer des Erstligisten FK Sluzk ebenfalls auf Tribuna: „Bei den Polen hat
der Bürgermeister von Warschau bei den Wahlen gegen den amtierenden Präsidenten knapp verloren - er
blieb auf seinem Posten, ihm ist nichts passiert. Bei uns wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit im
Gefängnis gelandet.“
Wie hier
zu lesen ist, äußerte sich kürzlich auch der russische Sport-Journalist Alexander Schmurnow zu den
Ereignissen im Nachbarland. Schmurnow war zwischen 2011 und 2014 Chefredakteur bei einer der
größten Sport-Webseiten in Russland, championat.com und gilt seit 2015 als einer der
profiliertesten Fußball-Kommentatoren im russischen Fernsehen. In Bezug auf den, von zahlreichen
staatlichen Behörden in Belarus oftmals wiederholten Vorwurf „unzuverlässige Ärzte“ würden mit
misshandelten Inhaftierten sympathisieren, fand Schmurnow deutliche Worte: „Ärzte sympathisieren
selbst in Zeiten schrecklicher Kriege mit Menschen, die ihre Hilfe brauchen. Nur Tiere können
versuchen, das zu verbieten oder gar zu bekämpfen. Es ist einer der ekelhaftesten Beweise für die
Unmenschlichkeit des Lukaschenko-Regimes“.
Auch die Regime-treuen Athleten haben jetzt ihren „Brief“
In vorausgegangenen Newslettern haben wir mehrfach den öffentlichen Athletenbrief erwähnt. Bereits
kurz nach den wohl gefälschten Wahlen im August hatten darin 350 Aktive, Trainer, leitende
Verbandsangestellte, Funktionäre und Sportjournalisten die Fälschung der Wahlergebnisse sowie die
grobe Gewalt durch die Sicherheitskräfte beklagt, Neuwahlen sowie Freilassung aller inhaftierten
Demonstranten und politischen Gefangenen gefordert. Mittlerweile hat der Brief über 1.200
Unterzeichner. Und es häufen sich Woche für Woche die Meldungen, wie Unterstützer den Hass des
Regimes zu spüren bekommen. Weil jetzt, wie Tribuna berichtet, das IOC
„aufgrund der wachsenden Anzahl von verstörenden Meldungen“ ein förmliches Verfahren zur
Überprüfung der Sanktionen gegen das NOK von Belarus eingeleitet hat, sahen sich die staatlichen
Stellen offenbar genötigt zu beweisen, dass immer noch eine signifikante Anzahl der Sportler auf
ihrer Seite steht. Deshalb wurde Ende November ein
Brief veröffentlicht, in dem zunächst ungenannte Athleten erklärten: „Wir sind belarusische
Athleten, Meister, Preisträger und Teilnehmer der Olympischen Spiele, Welt- und
Europameisterschaften. … Unsere Stimme ist die Stimme der echten Sportgemeinschaft der Republik
Belarus. Wir fordern die belarusische und internationale Gemeinschaft auf, uns zuzuhören und sich
daran zu erinnern, dass Sport immer außerhalb der Politik war und bleibt! Unsere Pflicht ist es
nicht, politische Appelle zu richten, sondern in Sportarenen zu gewinnen und unsere Fans mit
unseren Leistungen zu begeistern!“
Die entsprechende Antwort der politisch aktiven Athleten blieb nicht lange aus. In einem Statement stellte die
bekannte Kugelstoßerin Nadeschda Astaptschuk, selber Unterzeichnerin des oppositionellen
Athletenbriefes, die entscheidenden Fragen: „Meint dieses ,Unsere Stimme ist die Stimme der echten
Sportgemeinschaft der Republik Belarus´, dass diese das Töten, Quälen, Foltern, Diskriminieren gut
heißt?“
„Jeder, der diese Scheiße unterschreibt, wird für immer ein Verräter
sein“
Wie Tribuna berichtet, erhielten
nach der Veröffentlichung am 27. November offenbar auch alle Fußballklubs der ersten belarusischen
Liga Anfragen, den „Brief“ der Regime treuen Athleten zu unterschreiben. Wie vor allem Fans und
Ultras darauf regierten, das fasst dieser umfangreiche Artikel auf Tribuna zusammen. So
erklärten zum Beispiel die Fans
von Dynamo Minsk: „Jeder, der diese Scheiße unterschreibt, wird für immer ein Verräter seines
Volkes und in den Augen aller Fans von Dynamo ein beschämendes Monster bleiben.“ Ein Beitrag, der
laut Tribuna von einigen
bekannten Fußballern, darunter dem Torhüter von Meister Shaktar Saligorsk, Alexander Gutor, dem
Stürmer von ZSKA Moskau, Ilja Shkurin und dem Ex-Torhüter der belarusischen Nationalmannschaft
Wassily Khomutowsky geliked wurde.
Klare Statements in Richtung ihrer Spieler und Club-Verantwortlichen sendeten auch die Fans des FK
Slutsk, von Neman Grodno, dem FK Isloch und dem FK Krumkrachy aus. Aus der Anhängerschaft von
Krumkrachy hieß
es: „Wir, die Fans von Krumkrachy sind absolut sicher, dass kein Fußballspieler oder
Vereinsvertreter einen Solidaritätsbrief mit dem Regime unterzeichnen wird.“ Und von Anhängern
des FK Isloch: „Wir teilen die Position unserer Freunde, die sich zuvor an ihre Clubs gewandt
haben, und wir möchten unsere eigene hinzufügen: es ist jedermanns persönliches Geschäft, welche
Position er in dieser Situation einnehmen möchte, aber wer diesen „Brief“ unterschreibt, stimmt der
Gesetzlosigkeit, die gerade in unserem Land geschieht,zu. Eine freiwillig akzeptierte Schande wird
deshalb niemals von jemandem weggespült, der hier seine Unterschrift gibt.“
Und aus Slutsk: „Slutsk ist seit
Jahrhunderten berühmt für seine Helden! Sei nicht Teil eines Systems, das seine eigenen Leute tötet
und einschüchtert. Seid jetzt jene Helden, an die wir uns stolz erinnern werden. Wir hoffen auf
euer Gewissen.“
So wurde die belarusische Fanszene vom Lukaschenko-Regime zerschlagen
Wie in einem ausgezeichnet und umfangreich bebilderten Report auf Tribuna zu lesen und zu
sehen ist, haben die Fußballfans in Belarus allen Grund einer unverbrüderlichen Haltung gegenüber
Lukaschenkos Repressions-Apparat. Der Text zeigt in allen Details wie Fangruppen gerade nach dem
ukrainischen Maidan systematisch verfolgt und gepeinigt und damit zu regelrechten Staatsfeinden
erklärt wurden. So spekulierte die staatliche Presse auch nach den gefälschten
Präsidentschaftswahlen im August darüber, ob nicht Fußballfans die treibende Kraft hinter den
Protesten seien. Zahlreiche hohe Vertreter der „Sicherheitsbehörden“, darunter Ex-Innenminister
Juri Karajew, sein Nachfolger auf dem Posten Ivan Kubrakow, der Kommandeur des OMON Dmitry Balaba
sowie der Chef von Belteleradio Ivan Eismont spekulierten, ohne allerdings irgendwelche Beweise
nennen zu können, darüber, dass sich die Fans unmittelbar nach den Wahlen zusammengeschlossen
hätten, um das Land zu destabilisieren. Der Artikel analysiert dabei zahlreiche Fälle der
Verfolgung von Fans durch die belarusischen Behörden. Der Artikel wurde von dem Projekt "Stimmen aus Belarus"
komplett ins Deutsche übertragen.
Belarusische Fußballfans als „politische Gefangene“ anerkannt
Ein nicht minder umfangreicher Artikel zum selben Thema ist auf der Webseite der
Menschenrechtsorganisation Viasna96 zu lesen. Darin heißt es unter anderem: „Das Innenministerium
verbirgt die Aufmerksamkeit der Behörden gegenüber den belarusischen Fußball-Fans nicht. Am 17.
Oktober stellte der Pressedienst der Abteilung fest, dass "es eine versteckte Aktivität und eine
Tendenz zu abweichendem Verhalten einer bestimmten Personengruppe gibt: Anarchisten und
Fußballfans". Dies bedeutet, dass diese Gruppen unter besonderer Kontrolle der Strafverfolgung
stehen. Wenn die Praxis, Anarchisten wegen ihrer Ansichten und Überzeugungen zu verfolgen, schon
lange in Belarus angewandt wird, hat die kriminelle Verfolgung von Fußball-Fans zum ersten Mal
solche Ausmaße erreicht.“ Der Artikel zeigt vor allem die Fakten, die die Aktivisten der
belarusischen Menschenrechtsorganisation Viasna“ über die Verfolgung von Fußballfans in Belarus
gesammelt haben. Einige der Fans wurden von Menschenrechtsaktivisten mittlerweile als „politische
Gefangene“ anerkannt.
Denkwürdiges Ende einer denkwürdigen Saison
Natürlich gibt es in Belarus auch noch rein Fußballerisches zu berichten. Denn am 28. November
gewann nach einer denkwürdigen Saison (wir berichteten ausführlich über die Fortsetzung der
Spielzeit und unerwartete weltweite Aufmerksamkeit, während des ersten Corona-Lockdowns im
Frühjahr) der Verein Shaktar Soligorsk auf nicht minder denkwürdige Weise seine zweite
Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Durch ein 0:0 des Tabellenführers BATE bei Dynamo Minsk und
einen eigenen Sieg, durch ein Siegtor in der 92. Minute gegen den FK Minsk wurde BATE Baryssau noch
auf den allerletzten Metern abgefangen.
Laut Tribuna kommentierte der in
unseren Newslettern oft erwähnte Spielerberater Waleri Isajew die Meisterschaft mit den
sarkastischen Worten: „Wunderschönes Ende unserer Meisterschaft. Die Champions der hässlichen
Transfers werden durch eine Rote Karte und sechs Minuten Verlängerung von einem zwischenzeitlichem
vierten Platz noch an die Spitze gezogen.“ Und weiter: „BATE hat den ersten Platz in diesem Jahr
nicht verdient. Die Fußballer dort haben in den letzten Jahren keine Fortschritte gemacht. Die
Gründe sind verständlich, und die Wahrscheinlichkeit, seine frühere Größe in der belarusischen
Meisterschaft wiederzugewinnen, ist, gelinde gesagt, minimal. Schade ist es, dass Njoman Grodno,
durch ihre Behörden nicht im Meisterschaftsrennen unterstützt wurden.“ Als Hintergrund: die von
Lukaschenko nach der Wahl neu besetzten Regionalbehörden in Grodno hatten die letzten Spiele,
angeblich aufgrund der Corona-Krise unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen lassen. Das wurde
von nicht wenigen als politischer Akt begriffen, um eventuelle Solidaritätsbekundungen der
Zuschauer mit der Oppositionsbewegung zu unterdrücken. Zum selben Zeitpunkt gab es in Grodno
Eishockeyspiele, in denen ganz normal Zuschauer zugelassen waren und noch nicht einmal eine
Maskenpflicht durchgesetzt wurde.
Erinnerungen an Diego Maradona in Brest
Entthront ist damit auch der Meister der vergangenen Saison, Dynamo Brest. Dort erinnerte man sich,
so ist es in einem schönen umfangreichen Artikel auf Tribuna zu lesen aber an den
einstigen „Operetten-Präsidenten“, den kürzlich verstorbenen Diego Armando Maradona. Der Text
stellt noch einmal 12 Fakten darüber zusammen, wie der legendäre Argentinier im Mai 2018 in Brest
erschien, sich dort in einem panzerartigen Geländewagen herumkutschieren ließ und als
Vorstandsvorsitzender wieder abreiste. Im Juni desselben Jahres war „El D10S“ nochmal nach Brest
zurückgekehrt, hatte die Heimniederlage gegen den jetzigen Meister Soligorsk im Stadion eher
gelangweilt verfolgt und ward danach nie wieder in Belarus gesehen. Der Text stellt nochmal die
skurrile Chronik einer „Verwechslung“ nach. Denn Maradona war eher versehentlich in Brest gelandet.
Ihn dahin einzuladen, war die Idee von Club-Besitzer Alexander Zaitsew gewesen. Der enge Anhänger
von Machthaber Lukaschenko machte Geschäfte am Persischen Golf, wo ihm seine Partner über die
Möglichkeit berichteten, der Fußball-Legende persönlich zu begegnen. Als Diego Al-Fujairah aus den
Vereinigten Arabischen Emiraten trainierte, plante Zaitsew mit Dynamo Brest ein Freundschaftsspiel.
Die Verhandlungen gingen jedoch so weit, dass dem Argentinier eine Stelle im Brest-Club angeboten
wurde - und der nahm sie tatsächlich an! Der Artikel bietet eine sehr unterhaltsame Chronik der
Ereignisse danach. So, wie Diego sich sowohl als Präsident als auch als Trainer von Brest
betrachtete, sich aber vor allem via soziale Netzwerke ans Team wendete und dabei ein paar
legendäre Videos und Posts hinterließ. So wünschte er den Bewohnern vor dem Pokal-Finale des
belarusischen Pokals gegen BATE viel Glück und sagte den unglaublichen Satz, dass dieses Match ihm
helfen werde zu verstehen, wer auch in der nächsten Saison in seiner Mannschaft bleiben könnte.
Projekt Dynamo Brest steht vor dem Aus
Dass die kostspielige Verpflichtung von Maradona in gewisser Weise der Anfang vom Ende des
fußballerischen Groß-Projektes Dynamo Brest gewesen sein könnte, darüber spekuliert ein Artikel,
ebenso auf Tribuna. Darin wird nochmal
illustriert, wie Dynamo Brest-Besitzer Alexander Zaitsew seit geraumer zeit offenbar das Interesse
an seinem Spielzeug verloren hat und immer mehr damit koketiert beim Stadtrivalen Rukh Brest
einzusteigen. Zaitsew wird in dieser interessanten Chronik zitiert: „Dynamo ist ein teures Projekt
und wir haben in diesem Jahr kontinuierlich Verluste eingefahren. Wir wären fast bankrott
gegangen.“ Der Manager hatte nicht nur schwere Zeiten im Fußball sondern offenbar auch in anderen
Geschäftsprojekten, die nicht mit Sport zu tun hatten. Über diese Dinge berichtet ausführlich
dieser Artikel. Zaitsew soll
demnach auf der Einflussskala der belarusischen Business-Men auf Platz Zehn rangieren. Er war nicht
nur Assistent des Ex-Premierministers des Landes, Sergei Sidorsky, sondern ebenso Assistent des
ältesten Sohnes von Alexander Lukaschenko, Viktor, der seit vielen Jahren für alle belarussischen
Machtstrukturen verantwortlich ist. Wie der Dynamo-Chef dorthin gelangt ist, scheint keiner so
recht zu wissen. Im Text werden aber Details enthüllt, wie Zaitsews Firma zwar offiziell in Afrika
und dem Persischen Golf belarusische Großradfahrzeuge und in Asien belarusisches Düngemittel
vertreibt und dabei als Vermittler staatlicher Unternehmen fungiert. Die Strukturen sollen deshalb
stark an die Zoll- und Steuerbetrügereien von Offshore-Unternehmen erinnern. Ein System, was nun
durch die Corona-Krise offenbar selber schwer getroffen wurde und durch seinen Niedergang auch
Dynamo Brest in den Abgrund zu reißen droht. Dass Zaitsew dann zum deutlich kleineren Rukh Brest
weiterwandern könnte, darauf weist auch der Fakt hin, dass nach einem Bericht auf Tribuna die
Nachwuchs-Akademie ab sofort mit allen vollbesetzten Jahrgängen in den Besitz von Rukh Brest
übergehen wird.
Wird Erstliga-Aufsteiger Sputnik aufgelöst?
Dass der belarusische Fußball vor finanziell schweren Zeiten steht und dass nur die Vorausläufer
einer allgemeinen Wirtschaftskrise sind, beweisen auch die Fälle von Sputnik Rechitsa und des FK
Isloch. Wie Tribuna in einem ganz
aktuellen Report berichtet, könnte es sein, dass der Zweitligameister und Aufsteiger in die erste
Liga Sputnik Rechitsa ebendieses gar nicht mehr erlebt (und damit der Drittplatzierte FK Krumkrachy
direkt aufsteigen würde und stattdessen der FK Sluzk in der Relegation gegen den Viertplatzierten
der zweiten Liga, Arsenal Dserschinsk spielen würde). Aber das ist immer noch alles Theorie.
Tribuna hat herausgefunden, wie schlimm es um Sputnik steht. Die Geschichte des Vereins ist
exemplarisch dafür, wie der Profi-Fußball in Belarus organisiert und wie abhängig er von den Gesten
des Lukaschenko-Regimes ist. Im Jahr 2017 war der mittlerweile illegitime Präsident durch die
Region von Rechitsa gereist. Dabei hörte er nicht nur einmal die Klage, dass es in der größten
Stadt keine Profi-Fußballmannschaft mehr gäbe. Lukaschenko wies den mit ihm reisenden
Regierungschef Sergej Rumas an, das Problem sofort mit maximaler Effizienz zu lösen. Den Auftrag
die Bildung des Teams zu finanzieren, bekam das staatliche Unternehmen für Holzverarbeitung und
Möbelherstellung Rechitsadrev, welches zuletzt 250.000 Dollar pro Jahr in das Team investierte und
damit den Aufstieg in Liga 2 und jetzt in Liga 1 ermöglichte. Doch jetzt will der neue Direktor von
Rechitsadrev offenbar nicht mehr in den Fußball investieren. Dabei ist „Sputnik“ das einzige Team
in irgendeiner Sportart, welches aus der Region Rechitsa an einer nationalen Meisterschaft
teilnimmt. Doch die ABFF unter Verbandschef Bazanow will das Team offenbar um jeden Preis in der
höchsten Spielklasse sehen, auch weil der Aufbau des Projekts einstmals von Lukaschenko persönlich
angeordnet worden war. Als Retter in der Not könnte das größte staatliche Erdölunternehmen
Belorusneft einspringen. Da Rechitsa die Hauptstadt der belarusischen Ölarbeiter ist, läge das auf
der Hand
FK Isloch-Team wird so „definitiv nicht mehr existieren“
Dass auch das Team von FK Isloch in seiner jetzigen Form nicht mehr weiter existieren wird, das ist
in diesem Artikel zu lesen. Aufgrund
des Verpassens der internationalen Ränge in der abgelaufenen Meisterschaft sollen die Kosten der
ersten Männermannschaft um 50 Prozent eingedampft werden. Wie Cheftrainer Witali Zhukowski
erklärte, solle damit auch die Finanzierung des Nachwuchs-Fußballs gesichert werden. In der Kinder-
und Jugendsportschule gäbe es 500 Kinder und 19 Nachwuchstrainer. Die Mittel für diese Akademie
sollen in voller Höhe erhalten werden. Die Mannschaft verabschiedete sich am letzten Spieltag
mit einer rührenden Geste
von ihren treuesten Fans, die im Frühjahr mehrfach auch Protagonisten in vorhergegangenen
Newslettern waren. Auf einem Banner, das die Mannschaft nach dem letzten Spiel gemeinsam in die
Kurve trug, war zu lesen: „Wo immer wir gespielt haben - wir wussten, dass ihr da seid,
Freunde!“
Der Fall Baskow – und was er für die Eishockey-WM bedeutet
Natürlich soll es hier in unserem Newsletter in erster Linie um Fußball gehen. Aber weil der
Vorsitzende des belarusischen Eishockeyverbandes Dmitry Baskow offenbar in die Tötung von Raman
Bandarenka oder zumindest in die Vertuschung dieser schweren Straftat verwickelt ist, soll hier
nochmal ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, was vor allem die ausgezeichneten Recherchen
der Journalisten von tribuna.by über den Fall offenlegten.
Nochmal zur Erinnerung: in der Nacht vom 11. zum 12. November war Raman Bandarenka mit den Worten
„Ich geh jetzt raus“ in den Hof seiner Wohnanlage in Minsk getreten, um maskierte Eindringlinge zur
Rede zu stellen, die dort, ohne erkennbare Legitimation die Zeichen der Solidarität entfernten -
rot-weiße Bändchen, die Leute an einen Zaun gebunden hatten. Danach war er von den „Besuchern“
zusammengeschlagen und in einen Transporter verfrachtet worden. Wenig später starb Raman Bandarenka
in einer Notfallklinik, wo Ärzte vergeblich versucht hatten, sein Leben zu retten.
Schon am Freitag nach dem Tod des 31-Jährigen veröffentlichte dann Tribuna.by diesen
hervorragend recherchierten Bericht, in dem umfangreiches Video-Material aus Überwachungskameras
und Handy-Videos von Beteiligten ausgewertet wurde. Dabei konnte nahezu zweifelsfrei festgestellt
werden, dass der Mann, der Bandarenka die entscheidenden Schläge verpasst hatte, kein anderer als
Dmitry Schakuta ist, ein achtfacher Weltmeister im Muay-Thai Kickboxen und Ausbilder bei
verschiedenen Sicherheitseinheiten des Lukaschenko-Regimes. Ebenfalls, allerdings passiv am Rande
stehend, wurde Dmitry Baskow, Chef des belarusischen Eishockey-Verbandes identifiziert.
Wie in einem weiteren Bericht auf Tribuna zu lesen war, soll
sich Lukaschenko ebenfalls am Freitag zum Fall geäußert und erklärt haben, Bandarenka sei an diesem
Abend schwer alkoholisiert gewesen und im Übrigen hätte sich die verdächtige Person aus „seinem
nahen Umfeld“ zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Minsk aufgehalten. Beide Aussagen sind mittlerweile
widerlegt. Ärzte, die versucht hatten Bandarenkas Leben zu retten, empörten sich über die
Feststellung, dieser sei in der Tatnacht betrunken gewesen.
Die Journalistin, die den behandelten Anästhesisten, Artem Sorokin interviewt hatte, sitzt, so
berichtet es tut.by nun in Haft. Kateryna
Borisewitsch wurde am Abend des 19. November von maskierten Beamten in zivil festgenommen, die in
die Untersuchungshaftanstalt des KGB brachten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mittlerweile ein
Strafverfahren wegen „Offenlegung von medizinischen Geheimnissen, mit schwerwiegende Folgen“
eröffnet. Kateryna Borisewitsch droht bei Verurteilung eine lange Haftstrafe, während gegen Baskow
und Schakuta keinerlei Ermittlungen eingeleitet wurden.
Den möglichen Tathergang wurde von Wadim Prokofiew rekonstruiert. Prokofiew war einer der
erfolgreichsten Gastronomen in Belarus, bevor er sich mit dem Regime überwarf und im vergangenen
Jahr all seine Restaurants verkaufte. Prokofiew gilt als äußerst gut vernetzt mit Teilen des
Lukaschenko-Regimes. In diesem Interview stellt er fest:
„Es wird natürlich auch hier keine ehrliche Untersuchung unter diesem Regime geben. Wir wissen
(laut einem anonym bleibenden Insider), dass die Untersuchung von zahlreichen Foltervorwürfen im
Gefängnis in der Akrestin-Straße eingestellt wurde. Wir wissen mit Sicherheit, dass Lukaschenko den
Leiter des Untersuchungsausschusses der Republik Belarus aus seinem Büro verwiesen hat, als der
belastendes Material zu 20 solcher Fällen vorlegen wollte.
Obwohl Dmitry Baskow nahezu zweifelsfrei als einer der Beteiligten an der Tötung von Raman
Bandarenka identifiziert werden konnte, erklärte dieser, von der erdrückenden Beweislast zu einem
Statement genötigt. „Ich war
in dieser Nacht nicht in diesem Hof. Der Grund für die Anschuldigungen, mit denen ich nichts zu tun
habe, ist ausschließlich meine politische Haltung.“
Einer, der Baskow sehr gut kennt, ist der kürzlich zurückgetretene Sportdirektor des belarusischen
Eishockey-Verbandes, Wladimir Bereschkow. In einem Interview für den
unabhängigen belarusischen Video-Kanal „жизнь-малина“
erklärte Bereschkow: „Sieht man sich das vorliegende Video-Material an, dann muss man fast sicher
davon ausgehen, dass Dmitry Baskow einer der Beteiligten an der Auseinandersetzung mit Raman
Bandarenka ist.“ Und weiter: „Ich kenne Baskow und kann sagen, dass ich ihn eigentlich sehr mag.
Ich weiß, dass er sich sehr um das Eishockey und seine Familie, aber auch um seine politischen
Wahnvorstellungen kümmert. Er ist davon überzeugt, dass ohne Lukaschenko hier alles
zusammenbricht.“
Was jetzt allerdings als erstes zusammenbrechen wird, sind die Pläne, in Minsk im kommenden Jahr
eine Eishockey-WM stattfinden zu lassen. Befeuert von der Aufdeckung von Baskows persönlicher
Beteiligung an Raman Bandarenkas Tötung haben mittlerweile zahlreiche einflußreiche
Eishockey-Funktionäre gegen eine solche Sportveranstaltung Stellung bezogen. Wie auf Tribuna zu lesen ist, hat
der lettische Eishockeyverband einen Brief an den belarusischen Eishockeyverband geschrieben, in
dem es unter anderem heißt: „Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass der FHB nicht für die von
Baskov begangenen Taten verantwortlich gemacht werden kann. Die zuvor genannten Tatsachen wirken
sich jedoch sowohl auf die Veranstaltungen des Weltverbandes IIHF, als auch auf die der Verbände
von Belarus und Lettland als auch auf das internationale Ansehen des Eishockeys im Allgemeinen
negativ aus. Wir wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, uns eine Erklärung zu den verstörenden
Informationen zu geben, die in direktem Zusammenhang mit der Führung der FHB stehen. Wir möchten
gerne wissen, wie unsere belarusischen Kollegen die alten Vertrauens- und Geschäftsbeziehungen
wiederherstellen und den Ruf des Eishockeys als Sport, den wir vertreten, schützen wollen.“
Wie in einer Meldung auf Sports.ru zu lesen ist, hat
sich auch der tschechische Außenminister Tomas Petrsicek zur Weltmeisterschaft 2021 in Minsk
geäußert: „Man kann nur auf die starke Kritik Lettlands an der möglichen Organisation einer
gemeinsamen Meisterschaft im Zusammenhang mit dem, was jetzt in Belarus geschieht, aufmerksam
machen. Das lokale Regime setzt seine gewalttätigen Aktionen gegen friedliche Demonstranten fort.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die demokratische Welt die Durchführung der
Eishockey-Weltmeisterschaft in Belarus unter Alexander Lukaschenko, unterstützen würde. Meine
Meinung ist eindeutig: Wir sollten dieses repressives Regime nicht legitimieren, indem wir dieses
Turnier abhalten.“
Laut Tribuna hat sich auch der
Vizepräsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF, der Finne Kalervo Kummola, für die Verlegung der WM
aus Belarus in ein anderes Land ausgesprochen. Kummola sagte: „Meine Position zu
Menschenrechtsfragen in Belarus ist immer noch nicht allen klar, auch wenn ich sie bereits zehnmal
wiederholt habe. Ich glaube nicht, dass unter diesen Umständen eine Eishockey-Weltmeisterschaft in
Minsk stattfinden wird.“
Wie in einem weiteren Bericht auf tribuna.by zu lesen ist, hat
sich mittlerweile auch die Vereinigung unabhängiger Athleten in Belarus für eine umfassende
Sanktionierung von Dmitry Baskow eingesetzt. In einem Brief an den IIHF wird in Bezug auf Baskow
gefordert ein Disziplinarverfahren einzuleiten, da dieser den Ruf des Eishockeys als Sport grob
diffamieren würde. Zu diesen Aktionen zählen nach Angaben der Öffentlichkeit und der Medien die
direkte Beteiligung von Dmitry Baskov an der Ermordung von Raman Bandarenka, die Teilnahme an
Kundgebungen zur Unterstützung des Regimes von Alexander Lukaschenko unter Verwendung olympischer
Symbole, das demonstrative Trinken von starkem Alkohol vor dem Hintergrund olympischer Symbole und
der ausgeübte Druck auf Sportler, Trainer und Funktionäre, die den Brief der unabhängigen Athleten
unterschrieben haben. Laut den Initiatoren des Briefes wird eine lebenslange Sperre an
Veranstaltungen des IIHF für Dmity Baskow angestrebt.
Laut einem weiteren Bericht auf Tribuna sind auch in
Verbindung mit dem Fall Baskow von den baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen
mittlerweile zahlreiche Einreiseverbote verhängt worden. Zu den Sanktionierten gehören namentlich
Dmitry Baskow, Dmitry Schakuta aber auch der Vorsitzende des belarusischen Fußballverbandes ABFF
Wladimir Basanow. Eine Erweiterung der Sanktionen auf alle EU-Staaten dürfte schon bald folgen.
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