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Newsletter Nr. 50 vom 3. Dezember 2020
Liebe Leserinnen und Leser!

Wie selbst eine Titelseite der russischen Zeitung Sowjetski Sport (Foto unten) aus dem Monat November zeigt, bleiben die Proteste in Belarus auch über 100 Tage nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen am Leben und werden auch im großen Nachbarland mit zum Teil unverhohlener Sympathie kommentiert.

Wir wollen der Situation um Politik, Fußball und Sport in Belarus deshalb hier nochmal einen besonders umfangreichen Teil unseres Newsletters widmen und dabei abschließend auch auf die Situation der Sportler allgemein als auch auf die Ereignisse um die mutmaßliche Beteiligung des Verbandspräsidenten des belarusischen Eishockeyverbandes Dmitry Baskow an der Tötung von Roman Bandarenka im Besonderen eingehen. Dabei soll hier noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die überwiegende Zahl der Sport-Publikationen in Belarus unter großem Druck der Behörden stehen und deshalb kaum noch über politische Zusammenhänge berichten können. Große Ausnahme ist dabei die Website von Tribuna.by, die wir deshalb hier auch überwiegend als Quelle angeben.

Zum Tod von Diego Maradona erinnern wir an seine Zeit als „Operetten-Präsident“ von Dynamo Brest und letztlich soll natürlich noch Shaktar Saligorsk zum belarusischen Meistertitel gratuliert werden. In einem Herzschlagfinale am letzten Spieltag konnten die „Bergarbeiter“ Serienmeister BATE Baryssau entthronen. Zudem geht der belarusische Fußball schweren Zeiten entgegen, zahlreiche Vereine stehen vor dem Aus.




In Russland gibt es derweil heftige Kritik an der Einführung des FanID-Systems. Zudem kam es zu einem eher unappetitlichen Skandal um den Kapitän der russischen Sbornaja. In der Ukraine gab es Aufregung um die Absage des Nations League-Spiels gegen die Schweiz, das für die Eidgenossen gewertet wurde. Zudem haben wir wieder einige Filme aus unserem Filmprojekt veröffentlicht.

Viele Erkenntnisse bei der Lektüre!
 
BELARUS

 

Schiwje Belarus – ZSKA Moskau -Trainer zeigt Haltung
Wie Pressbol berichtet, wurde Viktor Gontscharenko, der belarusische Trainer von ZSKA Moskau, im Oktober zum Trainer des Monats Oktober in der russischen Premier Liga gewählt und ihm auch deshalb die bereits erwähnte, außergewöhnlich ausdrucksstarke Titelseite auf Sowietski Sport gewidmet, auf der eben jener abgebildet ist -mit der Überschrift "Zhyvje Belorus", Es lebe der der Belaruse. Gontscharenko gilt als bester belarusischer Trainer seiner Generation. Bereits mit 30 Jahren war er ab 2007 Cheftrainer von BATE Baryssau für einen Großteil der Erfolge der Blau-Gelben und auch für zahlreiche Ausrufezeichen des Serienmeisters in Champions und Europa League verantwortlich gewesen. Seit 2013 ist Gontscharenko als Trainer in Russland tätig und hat sich seit August auch immer wieder zu zu den Ereignissen in seinem Heimatland zu Wort gemeldet. Wie Tribuna berichtet, äußerte er sich im Interview auf einem bekannten russischen Fußballblog auch Ende November und kritisierte die Gewaltorgien der Sicherheitsbehörden gegen friedlich demonstrierende Demonstranten in Belarus deutlich. Gontscharenkos Aussagen, zu denen auch die Forderung nach fairen Wahlen gehört sind in einem weiteren großen Artikel auf Tribuna zusammengefasst. Das Jahr 2020 ließe sich für Gontscharenko, so der Artikel durch die Titelseite auf Sowietski Sport, nicht besser ausdrücken. In dem Text werden weitere Haltungen und Wortmeldungen von anderen belarusischen Fußballtrainern im Ausland zusammengefasst. Dazu zählt auch Alexander Khatskewitsch. Der 47-jährige war zwischen 2014 und 2016 Cheftrainer der Nationalmannschaft von Belarus und zwischen 2017 und 2019 Cheftrainer von Dynamo Kiyw gewesen und trainiert seitdem Premier Liga-Aufsteiger Rotor Wolgograd. Hinsichtlich der Ereignisse in der Heimat äußerte sich Khatskewitsch absolut eindeutig. „Die Belarusen haben 26 Jahre durchgehalten, aber alle Geduld geht zu Ende.“ Und über die Gewaltorgien der Sicherheitskräfte: „Sie folgen Befehlen, aber jeder hat einen Kopf auf den Schultern, jeder muss über die Konsequenzen nachdenken. Wie die Ereignisse in der Ukraine zeigten, wurden Personen, die in der Ukraine im Zuge des Maidan verbrecherische Befehle gaben, bestraft. Daher bin ich sicher, dass all dies auch in Belarus nicht ungestraft bleiben wird.“

 

„Das, was jetzt passiert, ist klarer Faschismus“
Auch andere bekannte Persönlichkeiten der belarusischen Sport- und Fußballwelt – allerdings vorwiegend jene, die nicht mehr in irgendeiner vom Staat abhängigen Position arbeiten oder im Ausland vor Repressionen geschützt sind – äußerten sich in den vergangenen Wochen ungewöhnlich deutlich. Auf Tribuna ist ein Interview mit Alexander Krutikow zu lesen, der im vergangenen Jahr Cheftrainer der belarusischen Basketball-Nationalmannschaft war und darin sagt: „Was jetzt m Land von den staatlichen Behörden unternommen wird, ist klarer Faschismus. Dieser illegitime Präsident muss endlich zur Rechenschaft gezogen werden.“

Ebenso emotional und ohne Umschweife drückt sich Gennady Tumilowitsch in einem Interview auf Tribuna aus. Einer der wohl besten besten Torhüter in der Geschichte der belarusischen Fußballnationalmannschaft stellte fest: „Es ist Zeit, dass einer seine Sachen packt. Nach einem zu langen Aufenthalt an der Spitze der Macht scheint er (Lukaschenko) den Verstand verloren zu haben.“ Zur Propaganda im staatlichen Fernsehen sagt Tumilowitsch: „Ich schlug vor, dass ein Freund, meines Psychotherapeut, sich mal das belarusische Fernsehen ansieht. Er stimmte zu und sagte drei Tage später, dass selbst seine am meisten vernachlässigten und hoffnungslosesten Patienten nicht so viel Unsinn ertrugen. Dieser Arzt hat einfach nicht verstanden, wie dieses Spiel überhaupt mit den Menschen gerieben werden kann.“ Und Sergei Michailow, Ex-Trainer des Erstligisten FK Sluzk ebenfalls auf Tribuna: „Bei den Polen hat der Bürgermeister von Warschau bei den Wahlen gegen den amtierenden Präsidenten knapp verloren - er blieb auf seinem Posten, ihm ist nichts passiert. Bei uns wäre er mit hoher Wahrscheinlichkeit im Gefängnis gelandet.“

Wie hier zu lesen ist, äußerte sich kürzlich auch der russische Sport-Journalist Alexander Schmurnow zu den Ereignissen im Nachbarland. Schmurnow war zwischen 2011 und 2014 Chefredakteur bei einer der größten Sport-Webseiten in Russland, championat.com und gilt seit 2015 als einer der profiliertesten Fußball-Kommentatoren im russischen Fernsehen. In Bezug auf den, von zahlreichen staatlichen Behörden in Belarus oftmals wiederholten Vorwurf „unzuverlässige Ärzte“ würden mit misshandelten Inhaftierten sympathisieren, fand Schmurnow deutliche Worte: „Ärzte sympathisieren selbst in Zeiten schrecklicher Kriege mit Menschen, die ihre Hilfe brauchen. Nur Tiere können versuchen, das zu verbieten oder gar zu bekämpfen. Es ist einer der ekelhaftesten Beweise für die Unmenschlichkeit des Lukaschenko-Regimes“.

 

Auch die Regime-treuen Athleten haben jetzt ihren „Brief“
In vorausgegangenen Newslettern haben wir mehrfach den öffentlichen Athletenbrief erwähnt. Bereits kurz nach den wohl gefälschten Wahlen im August hatten darin 350 Aktive, Trainer, leitende Verbandsangestellte, Funktionäre und Sportjournalisten die Fälschung der Wahlergebnisse sowie die grobe Gewalt durch die Sicherheitskräfte beklagt, Neuwahlen sowie Freilassung aller inhaftierten Demonstranten und politischen Gefangenen gefordert. Mittlerweile hat der Brief über 1.200 Unterzeichner. Und es häufen sich Woche für Woche die Meldungen, wie Unterstützer den Hass des Regimes zu spüren bekommen. Weil jetzt, wie Tribuna berichtet, das IOC „aufgrund der wachsenden Anzahl von verstörenden Meldungen“ ein förmliches Verfahren zur Überprüfung der Sanktionen gegen das NOK von Belarus eingeleitet hat, sahen sich die staatlichen Stellen offenbar genötigt zu beweisen, dass immer noch eine signifikante Anzahl der Sportler auf ihrer Seite steht. Deshalb wurde Ende November ein Brief veröffentlicht, in dem zunächst ungenannte Athleten erklärten: „Wir sind belarusische Athleten, Meister, Preisträger und Teilnehmer der Olympischen Spiele, Welt- und Europameisterschaften. … Unsere Stimme ist die Stimme der echten Sportgemeinschaft der Republik Belarus. Wir fordern die belarusische und internationale Gemeinschaft auf, uns zuzuhören und sich daran zu erinnern, dass Sport immer außerhalb der Politik war und bleibt! Unsere Pflicht ist es nicht, politische Appelle zu richten, sondern in Sportarenen zu gewinnen und unsere Fans mit unseren Leistungen zu begeistern!“

Die entsprechende Antwort der politisch aktiven Athleten blieb nicht lange aus. In einem Statement stellte die bekannte Kugelstoßerin Nadeschda Astaptschuk, selber Unterzeichnerin des oppositionellen Athletenbriefes, die entscheidenden Fragen: „Meint dieses ,Unsere Stimme ist die Stimme der echten Sportgemeinschaft der Republik Belarus´, dass diese das Töten, Quälen, Foltern, Diskriminieren gut heißt?“

 

„Jeder, der diese Scheiße unterschreibt, wird für immer ein Verräter sein“
Wie Tribuna berichtet, erhielten nach der Veröffentlichung am 27. November offenbar auch alle Fußballklubs der ersten belarusischen Liga Anfragen, den „Brief“ der Regime treuen Athleten zu unterschreiben. Wie vor allem Fans und Ultras darauf regierten, das fasst dieser umfangreiche Artikel auf Tribuna zusammen. So erklärten zum Beispiel die Fans von Dynamo Minsk: „Jeder, der diese Scheiße unterschreibt, wird für immer ein Verräter seines Volkes und in den Augen aller Fans von Dynamo ein beschämendes Monster bleiben.“ Ein Beitrag, der laut Tribuna von einigen bekannten Fußballern, darunter dem Torhüter von Meister Shaktar Saligorsk, Alexander Gutor, dem Stürmer von ZSKA Moskau, Ilja Shkurin und dem Ex-Torhüter der belarusischen Nationalmannschaft Wassily Khomutowsky geliked wurde.

Klare Statements in Richtung ihrer Spieler und Club-Verantwortlichen sendeten auch die Fans des FK Slutsk, von Neman Grodno, dem FK Isloch und dem FK Krumkrachy aus. Aus der Anhängerschaft von Krumkrachy hieß es: „Wir, die Fans von Krumkrachy sind absolut sicher, dass kein Fußballspieler oder Vereinsvertreter einen Solidaritätsbrief mit dem Regime unterzeichnen wird.“ Und von Anhängern des FK Isloch: „Wir teilen die Position unserer Freunde, die sich zuvor an ihre Clubs gewandt haben, und wir möchten unsere eigene hinzufügen: es ist jedermanns persönliches Geschäft, welche Position er in dieser Situation einnehmen möchte, aber wer diesen „Brief“ unterschreibt, stimmt der Gesetzlosigkeit, die gerade in unserem Land geschieht,zu. Eine freiwillig akzeptierte Schande wird deshalb niemals von jemandem weggespült, der hier seine Unterschrift gibt.“

Und aus Slutsk: „Slutsk ist seit Jahrhunderten berühmt für seine Helden! Sei nicht Teil eines Systems, das seine eigenen Leute tötet und einschüchtert. Seid jetzt jene Helden, an die wir uns stolz erinnern werden. Wir hoffen auf euer Gewissen.“

 

So wurde die belarusische Fanszene vom Lukaschenko-Regime zerschlagen
Wie in einem ausgezeichnet und umfangreich bebilderten Report auf Tribuna zu lesen und zu sehen ist, haben die Fußballfans in Belarus allen Grund einer unverbrüderlichen Haltung gegenüber Lukaschenkos Repressions-Apparat. Der Text zeigt in allen Details wie Fangruppen gerade nach dem ukrainischen Maidan systematisch verfolgt und gepeinigt und damit zu regelrechten Staatsfeinden erklärt wurden. So spekulierte die staatliche Presse auch nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen im August darüber, ob nicht Fußballfans die treibende Kraft hinter den Protesten seien. Zahlreiche hohe Vertreter der „Sicherheitsbehörden“, darunter Ex-Innenminister Juri Karajew, sein Nachfolger auf dem Posten Ivan Kubrakow, der Kommandeur des OMON Dmitry Balaba sowie der Chef von Belteleradio Ivan Eismont spekulierten, ohne allerdings irgendwelche Beweise nennen zu können, darüber, dass sich die Fans unmittelbar nach den Wahlen zusammengeschlossen hätten, um das Land zu destabilisieren. Der Artikel analysiert dabei zahlreiche Fälle der Verfolgung von Fans durch die belarusischen Behörden. Der Artikel wurde von dem Projekt "Stimmen aus Belarus" komplett ins Deutsche übertragen.

 

Belarusische Fußballfans als „politische Gefangene“ anerkannt
Ein nicht minder umfangreicher Artikel zum selben Thema ist auf der Webseite der Menschenrechtsorganisation Viasna96 zu lesen. Darin heißt es unter anderem: „Das Innenministerium verbirgt die Aufmerksamkeit der Behörden gegenüber den belarusischen Fußball-Fans nicht. Am 17. Oktober stellte der Pressedienst der Abteilung fest, dass "es eine versteckte Aktivität und eine Tendenz zu abweichendem Verhalten einer bestimmten Personengruppe gibt: Anarchisten und Fußballfans". Dies bedeutet, dass diese Gruppen unter besonderer Kontrolle der Strafverfolgung stehen. Wenn die Praxis, Anarchisten wegen ihrer Ansichten und Überzeugungen zu verfolgen, schon lange in Belarus angewandt wird, hat die kriminelle Verfolgung von Fußball-Fans zum ersten Mal solche Ausmaße erreicht.“ Der Artikel zeigt vor allem die Fakten, die die Aktivisten der belarusischen Menschenrechtsorganisation Viasna“ über die Verfolgung von Fußballfans in Belarus gesammelt haben. Einige der Fans wurden von Menschenrechtsaktivisten mittlerweile als „politische Gefangene“ anerkannt.



Denkwürdiges Ende einer denkwürdigen Saison
Natürlich gibt es in Belarus auch noch rein Fußballerisches zu berichten. Denn am 28. November gewann nach einer denkwürdigen Saison (wir berichteten ausführlich über die Fortsetzung der Spielzeit und unerwartete weltweite Aufmerksamkeit, während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr) der Verein Shaktar Soligorsk auf nicht minder denkwürdige Weise seine zweite Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Durch ein 0:0 des Tabellenführers BATE bei Dynamo Minsk und einen eigenen Sieg, durch ein Siegtor in der 92. Minute gegen den FK Minsk wurde BATE Baryssau noch auf den allerletzten Metern abgefangen.

Laut Tribuna kommentierte der in unseren Newslettern oft erwähnte Spielerberater Waleri Isajew die Meisterschaft mit den sarkastischen Worten: „Wunderschönes Ende unserer Meisterschaft. Die Champions der hässlichen Transfers werden durch eine Rote Karte und sechs Minuten Verlängerung von einem zwischenzeitlichem vierten Platz noch an die Spitze gezogen.“ Und weiter: „BATE hat den ersten Platz in diesem Jahr nicht verdient. Die Fußballer dort haben in den letzten Jahren keine Fortschritte gemacht. Die Gründe sind verständlich, und die Wahrscheinlichkeit, seine frühere Größe in der belarusischen Meisterschaft wiederzugewinnen, ist, gelinde gesagt, minimal. Schade ist es, dass Njoman Grodno, durch ihre Behörden nicht im Meisterschaftsrennen unterstützt wurden.“ Als Hintergrund: die von Lukaschenko nach der Wahl neu besetzten Regionalbehörden in Grodno hatten die letzten Spiele, angeblich aufgrund der Corona-Krise unter Ausschluss der Öffentlichkeit austragen lassen. Das wurde von nicht wenigen als politischer Akt begriffen, um eventuelle Solidaritätsbekundungen der Zuschauer mit der Oppositionsbewegung zu unterdrücken. Zum selben Zeitpunkt gab es in Grodno Eishockeyspiele, in denen ganz normal Zuschauer zugelassen waren und noch nicht einmal eine Maskenpflicht durchgesetzt wurde.


Erinnerungen an Diego Maradona in Brest
Entthront ist damit auch der Meister der vergangenen Saison, Dynamo Brest. Dort erinnerte man sich, so ist es in einem schönen umfangreichen Artikel auf Tribuna zu lesen aber an den einstigen „Operetten-Präsidenten“, den kürzlich verstorbenen Diego Armando Maradona. Der Text stellt noch einmal 12 Fakten darüber zusammen, wie der legendäre Argentinier im Mai 2018 in Brest erschien, sich dort in einem panzerartigen Geländewagen herumkutschieren ließ und als Vorstandsvorsitzender wieder abreiste. Im Juni desselben Jahres war „El D10S“ nochmal nach Brest zurückgekehrt, hatte die Heimniederlage gegen den jetzigen Meister Soligorsk im Stadion eher gelangweilt verfolgt und ward danach nie wieder in Belarus gesehen. Der Text stellt nochmal die skurrile Chronik einer „Verwechslung“ nach. Denn Maradona war eher versehentlich in Brest gelandet. Ihn dahin einzuladen, war die Idee von Club-Besitzer Alexander Zaitsew gewesen. Der enge Anhänger von Machthaber Lukaschenko machte Geschäfte am Persischen Golf, wo ihm seine Partner über die Möglichkeit berichteten, der Fußball-Legende persönlich zu begegnen. Als Diego Al-Fujairah aus den Vereinigten Arabischen Emiraten trainierte, plante Zaitsew mit Dynamo Brest ein Freundschaftsspiel. Die Verhandlungen gingen jedoch so weit, dass dem Argentinier eine Stelle im Brest-Club angeboten wurde - und der nahm sie tatsächlich an! Der Artikel bietet eine sehr unterhaltsame Chronik der Ereignisse danach. So, wie Diego sich sowohl als Präsident als auch als Trainer von Brest betrachtete, sich aber vor allem via soziale Netzwerke ans Team wendete und dabei ein paar legendäre Videos und Posts hinterließ. So wünschte er den Bewohnern vor dem Pokal-Finale des belarusischen Pokals gegen BATE viel Glück und sagte den unglaublichen Satz, dass dieses Match ihm helfen werde zu verstehen, wer auch in der nächsten Saison in seiner Mannschaft bleiben könnte.

 

Projekt Dynamo Brest steht vor dem Aus
Dass die kostspielige Verpflichtung von Maradona in gewisser Weise der Anfang vom Ende des fußballerischen Groß-Projektes Dynamo Brest gewesen sein könnte, darüber spekuliert ein Artikel, ebenso auf Tribuna. Darin wird nochmal illustriert, wie Dynamo Brest-Besitzer Alexander Zaitsew seit geraumer zeit offenbar das Interesse an seinem Spielzeug verloren hat und immer mehr damit koketiert beim Stadtrivalen Rukh Brest einzusteigen. Zaitsew wird in dieser interessanten Chronik zitiert: „Dynamo ist ein teures Projekt und wir haben in diesem Jahr kontinuierlich Verluste eingefahren. Wir wären fast bankrott gegangen.“ Der Manager hatte nicht nur schwere Zeiten im Fußball sondern offenbar auch in anderen Geschäftsprojekten, die nicht mit Sport zu tun hatten. Über diese Dinge berichtet ausführlich dieser Artikel. Zaitsew soll demnach auf der Einflussskala der belarusischen Business-Men auf Platz Zehn rangieren. Er war nicht nur Assistent des Ex-Premierministers des Landes, Sergei Sidorsky, sondern ebenso Assistent des ältesten Sohnes von Alexander Lukaschenko, Viktor, der seit vielen Jahren für alle belarussischen Machtstrukturen verantwortlich ist. Wie der Dynamo-Chef dorthin gelangt ist, scheint keiner so recht zu wissen. Im Text werden aber Details enthüllt, wie Zaitsews Firma zwar offiziell in Afrika und dem Persischen Golf belarusische Großradfahrzeuge und in Asien belarusisches Düngemittel vertreibt und dabei als Vermittler staatlicher Unternehmen fungiert. Die Strukturen sollen deshalb stark an die Zoll- und Steuerbetrügereien von Offshore-Unternehmen erinnern. Ein System, was nun durch die Corona-Krise offenbar selber schwer getroffen wurde und durch seinen Niedergang auch Dynamo Brest in den Abgrund zu reißen droht. Dass Zaitsew dann zum deutlich kleineren Rukh Brest weiterwandern könnte, darauf weist auch der Fakt hin, dass nach einem Bericht auf Tribuna die Nachwuchs-Akademie ab sofort mit allen vollbesetzten Jahrgängen in den Besitz von Rukh Brest übergehen wird.

 

Wird Erstliga-Aufsteiger Sputnik aufgelöst?
Dass der belarusische Fußball vor finanziell schweren Zeiten steht und dass nur die Vorausläufer einer allgemeinen Wirtschaftskrise sind, beweisen auch die Fälle von Sputnik Rechitsa und des FK Isloch. Wie Tribuna in einem ganz aktuellen Report berichtet, könnte es sein, dass der Zweitligameister und Aufsteiger in die erste Liga Sputnik Rechitsa ebendieses gar nicht mehr erlebt (und damit der Drittplatzierte FK Krumkrachy direkt aufsteigen würde und stattdessen der FK Sluzk in der Relegation gegen den Viertplatzierten der zweiten Liga, Arsenal Dserschinsk spielen würde). Aber das ist immer noch alles Theorie. Tribuna hat herausgefunden, wie schlimm es um Sputnik steht. Die Geschichte des Vereins ist exemplarisch dafür, wie der Profi-Fußball in Belarus organisiert und wie abhängig er von den Gesten des Lukaschenko-Regimes ist. Im Jahr 2017 war der mittlerweile illegitime Präsident durch die Region von Rechitsa gereist. Dabei hörte er nicht nur einmal die Klage, dass es in der größten Stadt keine Profi-Fußballmannschaft mehr gäbe. Lukaschenko wies den mit ihm reisenden Regierungschef Sergej Rumas an, das Problem sofort mit maximaler Effizienz zu lösen. Den Auftrag die Bildung des Teams zu finanzieren, bekam das staatliche Unternehmen für Holzverarbeitung und Möbelherstellung Rechitsadrev, welches zuletzt 250.000 Dollar pro Jahr in das Team investierte und damit den Aufstieg in Liga 2 und jetzt in Liga 1 ermöglichte. Doch jetzt will der neue Direktor von Rechitsadrev offenbar nicht mehr in den Fußball investieren. Dabei ist „Sputnik“ das einzige Team in irgendeiner Sportart, welches aus der Region Rechitsa an einer nationalen Meisterschaft teilnimmt. Doch die ABFF unter Verbandschef Bazanow will das Team offenbar um jeden Preis in der höchsten Spielklasse sehen, auch weil der Aufbau des Projekts einstmals von Lukaschenko persönlich angeordnet worden war. Als Retter in der Not könnte das größte staatliche Erdölunternehmen Belorusneft einspringen. Da Rechitsa die Hauptstadt der belarusischen Ölarbeiter ist, läge das auf der Hand

 

FK Isloch-Team wird so „definitiv nicht mehr existieren“
Dass auch das Team von FK Isloch in seiner jetzigen Form nicht mehr weiter existieren wird, das ist in diesem Artikel zu lesen. Aufgrund des Verpassens der internationalen Ränge in der abgelaufenen Meisterschaft sollen die Kosten der ersten Männermannschaft um 50 Prozent eingedampft werden. Wie Cheftrainer Witali Zhukowski erklärte, solle damit auch die Finanzierung des Nachwuchs-Fußballs gesichert werden. In der Kinder- und Jugendsportschule gäbe es 500 Kinder und 19 Nachwuchstrainer. Die Mittel für diese Akademie sollen in voller Höhe erhalten werden. Die Mannschaft verabschiedete sich am letzten Spieltag mit einer rührenden Geste von ihren treuesten Fans, die im Frühjahr mehrfach auch Protagonisten in vorhergegangenen Newslettern waren. Auf einem Banner, das die Mannschaft nach dem letzten Spiel gemeinsam in die Kurve trug, war zu lesen: „Wo immer wir gespielt haben - wir wussten, dass ihr da seid, Freunde!“
 


Der Fall Baskow – und was er für die Eishockey-WM bedeutet
Natürlich soll es hier in unserem Newsletter in erster Linie um Fußball gehen. Aber weil der Vorsitzende des belarusischen Eishockeyverbandes Dmitry Baskow offenbar in die Tötung von Raman Bandarenka oder zumindest in die Vertuschung dieser schweren Straftat verwickelt ist, soll hier nochmal ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, was vor allem die ausgezeichneten Recherchen der Journalisten von tribuna.by über den Fall offenlegten.

Nochmal zur Erinnerung: in der Nacht vom 11. zum 12. November war Raman Bandarenka mit den Worten „Ich geh jetzt raus“ in den Hof seiner Wohnanlage in Minsk getreten, um maskierte Eindringlinge zur Rede zu stellen, die dort, ohne erkennbare Legitimation die Zeichen der Solidarität entfernten - rot-weiße Bändchen, die Leute an einen Zaun gebunden hatten. Danach war er von den „Besuchern“ zusammengeschlagen und in einen Transporter verfrachtet worden. Wenig später starb Raman Bandarenka in einer Notfallklinik, wo Ärzte vergeblich versucht hatten, sein Leben zu retten.

Schon am Freitag nach dem Tod des 31-Jährigen veröffentlichte dann Tribuna.by diesen hervorragend recherchierten Bericht, in dem umfangreiches Video-Material aus Überwachungskameras und Handy-Videos von Beteiligten ausgewertet wurde. Dabei konnte nahezu zweifelsfrei festgestellt werden, dass der Mann, der Bandarenka die entscheidenden Schläge verpasst hatte, kein anderer als Dmitry Schakuta ist, ein achtfacher Weltmeister im Muay-Thai Kickboxen und Ausbilder bei verschiedenen Sicherheitseinheiten des Lukaschenko-Regimes. Ebenfalls, allerdings passiv am Rande stehend, wurde Dmitry Baskow, Chef des belarusischen Eishockey-Verbandes identifiziert.

Wie in einem weiteren Bericht auf Tribuna zu lesen war, soll sich Lukaschenko ebenfalls am Freitag zum Fall geäußert und erklärt haben, Bandarenka sei an diesem Abend schwer alkoholisiert gewesen und im Übrigen hätte sich die verdächtige Person aus „seinem nahen Umfeld“ zu diesem Zeitpunkt gar nicht in Minsk aufgehalten. Beide Aussagen sind mittlerweile widerlegt. Ärzte, die versucht hatten Bandarenkas Leben zu retten, empörten sich über die Feststellung, dieser sei in der Tatnacht betrunken gewesen.

Die Journalistin, die den behandelten Anästhesisten, Artem Sorokin interviewt hatte, sitzt, so berichtet es tut.by nun in Haft. Kateryna Borisewitsch wurde am Abend des 19. November von maskierten Beamten in zivil festgenommen, die in die Untersuchungshaftanstalt des KGB brachten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mittlerweile ein Strafverfahren wegen „Offenlegung von medizinischen Geheimnissen, mit schwerwiegende Folgen“ eröffnet. Kateryna Borisewitsch droht bei Verurteilung eine lange Haftstrafe, während gegen Baskow und Schakuta keinerlei Ermittlungen eingeleitet wurden.

Den möglichen Tathergang wurde von Wadim Prokofiew rekonstruiert. Prokofiew war einer der erfolgreichsten Gastronomen in Belarus, bevor er sich mit dem Regime überwarf und im vergangenen Jahr all seine Restaurants verkaufte. Prokofiew gilt als äußerst gut vernetzt mit Teilen des Lukaschenko-Regimes. In diesem Interview stellt er fest: „Es wird natürlich auch hier keine ehrliche Untersuchung unter diesem Regime geben. Wir wissen (laut einem anonym bleibenden Insider), dass die Untersuchung von zahlreichen Foltervorwürfen im Gefängnis in der Akrestin-Straße eingestellt wurde. Wir wissen mit Sicherheit, dass Lukaschenko den Leiter des Untersuchungsausschusses der Republik Belarus aus seinem Büro verwiesen hat, als der belastendes Material zu 20 solcher Fällen vorlegen wollte.

Obwohl Dmitry Baskow nahezu zweifelsfrei als einer der Beteiligten an der Tötung von Raman Bandarenka identifiziert werden konnte, erklärte dieser, von der erdrückenden Beweislast zu einem Statement genötigt. „Ich war in dieser Nacht nicht in diesem Hof. Der Grund für die Anschuldigungen, mit denen ich nichts zu tun habe, ist ausschließlich meine politische Haltung.“

Einer, der Baskow sehr gut kennt, ist der kürzlich zurückgetretene Sportdirektor des belarusischen Eishockey-Verbandes, Wladimir Bereschkow. In einem Interview für den unabhängigen belarusischen Video-Kanal „жизнь-малина“ erklärte Bereschkow: „Sieht man sich das vorliegende Video-Material an, dann muss man fast sicher davon ausgehen, dass Dmitry Baskow einer der Beteiligten an der Auseinandersetzung mit Raman Bandarenka ist.“ Und weiter: „Ich kenne Baskow und kann sagen, dass ich ihn eigentlich sehr mag. Ich weiß, dass er sich sehr um das Eishockey und seine Familie, aber auch um seine politischen Wahnvorstellungen kümmert. Er ist davon überzeugt, dass ohne Lukaschenko hier alles zusammenbricht.“

Was jetzt allerdings als erstes zusammenbrechen wird, sind die Pläne, in Minsk im kommenden Jahr eine Eishockey-WM stattfinden zu lassen. Befeuert von der Aufdeckung von Baskows persönlicher Beteiligung an Raman Bandarenkas Tötung haben mittlerweile zahlreiche einflußreiche Eishockey-Funktionäre gegen eine solche Sportveranstaltung Stellung bezogen. Wie auf Tribuna zu lesen ist, hat der lettische Eishockeyverband einen Brief an den belarusischen Eishockeyverband geschrieben, in dem es unter anderem heißt: „Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass der FHB nicht für die von Baskov begangenen Taten verantwortlich gemacht werden kann. Die zuvor genannten Tatsachen wirken sich jedoch sowohl auf die Veranstaltungen des Weltverbandes IIHF, als auch auf die der Verbände von Belarus und Lettland als auch auf das internationale Ansehen des Eishockeys im Allgemeinen negativ aus. Wir wenden uns deshalb mit der Bitte an Sie, uns eine Erklärung zu den verstörenden Informationen zu geben, die in direktem Zusammenhang mit der Führung der FHB stehen. Wir möchten gerne wissen, wie unsere belarusischen Kollegen die alten Vertrauens- und Geschäftsbeziehungen wiederherstellen und den Ruf des Eishockeys als Sport, den wir vertreten, schützen wollen.“

Wie in einer Meldung auf Sports.ru zu lesen ist, hat sich auch der tschechische Außenminister Tomas Petrsicek zur Weltmeisterschaft 2021 in Minsk geäußert: „Man kann nur auf die starke Kritik Lettlands an der möglichen Organisation einer gemeinsamen Meisterschaft im Zusammenhang mit dem, was jetzt in Belarus geschieht, aufmerksam machen. Das lokale Regime setzt seine gewalttätigen Aktionen gegen friedliche Demonstranten fort. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die demokratische Welt die Durchführung der Eishockey-Weltmeisterschaft in Belarus unter Alexander Lukaschenko, unterstützen würde. Meine Meinung ist eindeutig: Wir sollten dieses repressives Regime nicht legitimieren, indem wir dieses Turnier abhalten.“

Laut Tribuna hat sich auch der Vizepräsident des Eishockey-Weltverbandes IIHF, der Finne Kalervo Kummola, für die Verlegung der WM aus Belarus in ein anderes Land ausgesprochen. Kummola sagte: „Meine Position zu Menschenrechtsfragen in Belarus ist immer noch nicht allen klar, auch wenn ich sie bereits zehnmal wiederholt habe. Ich glaube nicht, dass unter diesen Umständen eine Eishockey-Weltmeisterschaft in Minsk stattfinden wird.“

Wie in einem weiteren Bericht auf tribuna.by zu lesen ist, hat sich mittlerweile auch die Vereinigung unabhängiger Athleten in Belarus für eine umfassende Sanktionierung von Dmitry Baskow eingesetzt. In einem Brief an den IIHF wird in Bezug auf Baskow gefordert ein Disziplinarverfahren einzuleiten, da dieser den Ruf des Eishockeys als Sport grob diffamieren würde. Zu diesen Aktionen zählen nach Angaben der Öffentlichkeit und der Medien die direkte Beteiligung von Dmitry Baskov an der Ermordung von Raman Bandarenka, die Teilnahme an Kundgebungen zur Unterstützung des Regimes von Alexander Lukaschenko unter Verwendung olympischer Symbole, das demonstrative Trinken von starkem Alkohol vor dem Hintergrund olympischer Symbole und der ausgeübte Druck auf Sportler, Trainer und Funktionäre, die den Brief der unabhängigen Athleten unterschrieben haben. Laut den Initiatoren des Briefes wird eine lebenslange Sperre an Veranstaltungen des IIHF für Dmity Baskow angestrebt.

Laut einem weiteren Bericht auf Tribuna sind auch in Verbindung mit dem Fall Baskow von den baltischen Ländern Estland, Lettland und Litauen mittlerweile zahlreiche Einreiseverbote verhängt worden. Zu den Sanktionierten gehören namentlich Dmitry Baskow, Dmitry Schakuta aber auch der Vorsitzende des belarusischen Fußballverbandes ABFF Wladimir Basanow. Eine Erweiterung der Sanktionen auf alle EU-Staaten dürfte schon bald folgen.

 
UKRAINE
 

Während die ukrainische Nationalmannschaft im Rahmen der Nations League-Begegnung gegen die Schweiz zahlreiche COVID-Fälle vermelden musste und deshalb von Seiten der UEFA dieses Spiel am 17.November abgesagt und mit 3:0 für die Eidgenossen gewertet wurde, gab es im vergangenen Monat auch ein paar bemerkenswerte Meldungen aus dem ukrainischen Vereinsfußball.

 

Kaum eine Atmosphäre des Feierns
So berichtet ein überaus interessanter Text des Tribuna-Bloggers Yury Sebov, wie sich ukrainische Vereine nach wie vor schwer damit tun, in Marketing und in die Arbeit mit Fans zu investieren. Sebov gibt in dem Artikel einige Tipps, wie Clubs Geld an der richtigen Stelle investieren sollten, um den Umsatz dauerhaft zu steigern, was vor allem damit zu tun hat, volle Stadien und eine ergebene Anhängerschaft entstehen zu lassen und damit die seit Jahren herrschende Krise im ukrainischen Fußball überwinden zu können. Sebovs Fazit: die überwiegende Mehrheit der Clubs investiert nicht in ihre Mitarbeiter sondern vor allem in ihre erste Mannschaft. Jeder will Sponsoren, doch keiner investiert ins Marketing. Und in den Stadien seien alle Mitarbeiter apathisch, mit dem Abspielen der Nationalhymne würde man nur gelangweilt und der Ansager begrüße noch nicht mal die Zuschauer, insgesamt gebe es kaum eine Atmosphäre des Feierns. Sebov nannte Juventus, Napoli und vor allem auch den 1.FC Union Berlin (den er selbst als Teilnehmer unserer Seminare besucht hat) als Beispiele, wie vor allem die Fans den Verein tragen und halten würden. In dem Text sind einige sehr interessante Zahlen und Fakten zur Thematik zu finden. Außerdem berichtet Sebov davon, wie er in der Stadt Rivne für den Verein Veres zahlreiche Schulen besucht habe, um mit hunderten Kindern zu sprechen und sie für den Fußball und den heimischen Club zu begeistern.

 

Ein Dorf – ein Team
Das es zumindest bezüglich der feierlichen Atmosphäre auch anders geht, beweisen die Fans des Bezirkslligaclubs „Niva“ aus dem nahe bei Kiyw gelegenen Dorfes Buzowa. Auf Tribuna ist eine Foto-Reportage zu sehen, wie Fans der Mannschaft den Gewinn der Hauptliga des Kiywer Bezirkes Svyatoshinsky feierten. Dabei kam eine Menge Pyro zum Einsatz, die in diesem Umfang nicht bei vielen Profi-Vereinen zu sehen ist. Mit dem Slogan „Ein Dorf – Ein Team!“ auf der Instagram-Seite des Vereins ist das Spektakel auch live zu sehen. Niva Buzowa war 1980 gegründet worden und hatte bis heute nicht nur einmal seine Existenz quittieren müssen. Erst in diesem Jahr war der Verein nach 12-jähriger Abstinenz auf die Regionalligabühne zurückgekehrt und hatte sofort Aufsehen erregt, da in nur sechs Monaten im Dorfzentrum von Buzowa eine eigene Fußball-Arena plus ein ganzer Sport-Komplex entstanden war.


Stadion-Direktor in Müllwagen gesteckt
Das es bisweilen recht rustikal zugeht im ukrainischen Fußball, hat man in der Vergangenheit häufiger gesehen. Doch jetzt haben Fans des Erstligisten Desna Tschernihiw ein neues Highlight gesetzt. Wie auf Sports.ru und Tribuna zu lesen und in einem dort eingebundenen Video auch zu sehen ist, haben die erbosten Anhänger den Direktor des heimischen Stadions Oleksandr Ovcharenko erst aus dem Verwaltungsgebäude von Desna gezerrt und gewaltsam in einem Müllwagen verfrachtet, um ihn darin aus dem Stadiongelände zu befördern. Zuvor hatte Bogdan Dementov, einer der Anführer des Desna Ultras, auf seinen Social Media-Kanälen erklärt, dass der Verein mit der Rückkehr von Oleksandr Ovcharenko Gefahr läuft, schon bald das Recht zu verlieren seine Heimspiele in Tschernihiw auszutragen. Der Artikel erklärt auch, worauf die Ängste der Fans basieren und warum sich die Wut vor allem gegen den Stadiondirektor wendet. Zwischen 2008 und 2012 hatte Ovcharenko schon einmal auf eben diesem Posten gesessen. Unter ihm war das damals extrem heruntergekommene Gelände an ein ukrainisches Ministerium übertragen worden. Der Vorwurf der Fans: Ovcharenko würde sich überhaupt nicht für Fußball interessieren. In seiner Zeit bei Desna hätte er rein gar nichts für den Verein getan, sondern sich selbst stattdessen ein prächtiges Haus gebaut und ständig immer teurere Autos gekauft. Das Fazit: eine Person, die den Fußball gar nicht liebt, kann kein Stadion verwalten, in dem die Fußballmannschaft das wichtigste Kapital ist. Unter der Führung von Ovcharenko sei der Fußball in Tschernihiw damals wirklich fast gestorben. Und nun drohe wegen ungeklärter Investitionszuständigkeiten ein Verlust des Mietvertrages mit dem Stadion und ein erzwungener Umzug nach Kiyw. Dazu veröffentlichten die Desna Ultras folgende offizielle Erklärung auf ihrem Instagram-Kanal: „Heute haben wir erfahren, dass das neue Management des Gagarin-Stadions beschlossen hat, seine Arbeit mit dem Ziel aufzunehmen, den Desna-Fußballverein aus dem Stadion zu verbannen. Es ist nicht nur unser Verein, sondern auch der, weshalb dieses Stadion überhaupt nur existiert. Der Verein, der unser Stolz und unsere Freude ist , ein Club, der unsere Heimatregion Tschernihiw repräsentiert. Wir erklären offiziell, dass wir dies nicht zulassen werden, dass das einzige Stadion dieses Niveaus in der Region Tschernihiw ohne seine Fußballmannschaft bleibt.“ Desna Tschernihiw belegt nach zehnten Spieltag den vierten Platz der Premier Liga und liegt sieben Punkte hinter dem Führenden Dynamo Kiyw.

 
RUSSLAND


Skandal um Sbornaja-Kapitän Dsjuba spaltet die Nation
Die wohl größten Wellen bis tief in die russische Gesellschaft sendete im vergangenen Monat sicherlich der Fall um den Kapitän von Zenit Sankt Petersburg, Artjom Dsjuba, aus. Kurz vor dem entscheidenden Gruppenspiel in der Nations League gegen Serbien war im Internet ein Video aufgetaucht, das den kantigen Stürmer beim Masturbieren zeigt. Eine bisher unbekannte Person hatte den Clip offenbar von Djubas Handy gestohlen und ins Internet gestellt, von wo er in Rekordgeschwindigkeit viral ging. Nach einer ersten Empörungswelle hatte Dsjuba nicht nur die Kapitänsbinde bei Zenit abgeben müssen , sondern war für das Spiel gegen Serbien von Nationaltrainer Tschertschessow „im Interesse der Konzentration in der Mannschaft“ ausgeladen worden.

Wie auf Sports.ru zu lesen ist, haben sich allerdings schon kurz danach zahlreiche Prominente des öffentlichen Lebens in Russland zu Wort gemeldet und unter dem Hashtag #ЯМыДзюба (IchbinWirsindDsjuba) ihre Solidarität mit Dsjuba ausgedrückt. Sergei Strokan, politischer Analyst bei Kommersant rief dazu auf, dem Video keine Bedeutung zu schenken. „Es ist ja nicht nur Dsjuba. Sobald wir auf solche Videos aufmerksam machen, kreieren wir eine Armee sexueller Erpresser, die eine Hexenjagd gegen alle prominenten Menschen anführen“. Ein anderer sagte sinngemäß: „Dsjuba wird für etwas gehasst, was seine Hater hunderttausendmal selbst getan haben.“ Unterstützung bekam Djsuba sogar von jenem Priester, der seinen Trainer bei Zenit Sergej Semak getraut hatte. Das Thema wurde auch in Russlands populärster Polit-Show „60 Minuten“ besprochen. Und wie ebenfalls in einem Artikel auf Sports.ru berichtet wird, hatten sich in der Nähe des Moskauer Bolschoi-Theaters sogar Teilnehmer der so genannten Ersten Frauen-Akademie zu einer Solidaritäts-Kundgebung getroffen und Schilder mit Sprüchen wie „Jeder macht es“ und „Es gibt keinen Grund sich zu schämen“ hochgehalten. Diese Demonstration hatte unter dem Motto: „Sprich über Sex“ stattfand. Die Demo vor allem junger Frauen für ein sexuell selbstbestimmtes Leben, die geschickt auf das Megathema Dsjuba aufgesprungen war, schaffte es in beinahe alle russische Medien. Und Sergej Schnurow etwa, der omnipräsente Rockstar, Schauspieler und Moderator, hat auf Instagram ein Gedicht und Loblied veröffentlicht, in dem er das Geschlechtsorgan des „schneidigen Kapitäns“ feiert.

Einen sehr aufschlußreichen Text zum Thema kann man übrigens auf Republic.ru lesen, wo die eigentlichen Gründe der Hexenjagd gegen Artjom Dsiuba beleuchtet werden.

 

Tschertschessow macht sich über das russische Tafelsilber her
Mindestens ebenso heftig diskutiert wurde ein Interview, welches Nationaltrainer Stanislaw Tschertschessow nach dem mit 5:0 verlorenen Nations League-Spiel gegen Serbien dem russischen Sportsender MatchTV gegeben hatte. Das Transkript zu dem einstündigen Feuerwerk, welches sich vor allem gegen die Jungstars Fedor Chalov (ZSKA Moskau), Alexej Miranchuk (Atalanta Bergamo) und Aleksandr Golowin (AS Monaco) richtete, ist auf Sports.ru zu lesen. Im Interview war Tschertschessow immer wieder danach gefragt worden, warum er sein Spiel nicht auf diesen „Goldschatz“ des russischen Fußballs ausrichten kann. Die Antworten des sichtlich genervten Nationaltrainer gipfelten in dem Satz: „Meiner Meinung nach wird es langsam Zeit, dass sich das Goldvermögen langsam vergoldet. Weil dieses Gold also jetzt so goldig spielt, sitze ich jetzt hier und muss mich rechtfertigen, während die Zuhause sitzen und Tee trinken.“

Wie Soccer.ru berichtet, fiel hinsichtlich der Kritik an Klub-Liebling Chalow vor allem die Reaktion der ZSKA-Fans deutlich aus. Dabei wurde im Stadion beim folgenden Heimspiel immer wieder der Slogan skandiert: „Ole Ola – das schnurbärtige Schwein ist wieder da“. Laut Sports.ru sollen in den Sprüchen und Liedern der ZSKA-Fans gegen den schnurbärtigen Tschertschessow auch homophobe und extrem unflätige Ausdrücke gefallen sein. Das Video zu den Vorfällen war auf dem Telegramkanal „Men in Black“, der von ZSKA-Fans betrieben wird, gepostet worden.

 

Heftige Kritik an FanID-System in der Russischen Premier Liga
Ein überaus ausführlicher Text über die geplante Einführung des FanID-Systems zur Identifizierung von Fußballfans in der russischen Premier Liga ist auf Sport24.ru zu lesen. Darin wird berichtet, wie dieses System, welches während der Fußball-WM 2018 erstmals erfolgreich getestet worden war, nun ab kommender Saison auch in der russischen Liga eingesetzt werden soll. Durch die FanID soll eine Datenbank entstehen, mittels der die Sicherheitskräfte ständig auf alle persönlichen Daten der Stadionbesucher zugreifen können. Auch deshalb wird das System von allen russischen Fußballfans leidenschaftlich abgelehnt, was im Internet und auch in den Stadien deutlich artikuliert worden war. Der Text enthält zahlreiche Wortmeldungen von Fans, leitenden Club-Angestellten, Präsidenten, Politikern und anderen Mitgliedern der russischen Fußballwelt. Die Meinungen über das System gehen dabei weit auseinander. Einhellig wird begrüßt, dass es ab kommender Saison wieder Bier in den russischen Stadien geben soll. Der entsprechende Vertreter der Staatsduma, Igor Lebedev, erklärte in dem Artikel außerdem: „Wir haben dieses Thema lange unter Einbeziehung des Verbandes und der Vereine diskutiert. Der allgemeine Konsens war, dass wir zwar einige wenige Fans verlieren könnten, aber der Rest wird von der neugewonnenen Sicherheit in den Stadien gerade in Zeiten einer Pandemie profitieren.“ Laut momentanem Stand sollen die aktuellen „schwarzen Listen“ bezüglich verbannter russischer Fußballfans gelöscht werden. In einem freiwilligen Modus soll das System bereits in der laufenden Meisterschaft getestet werden. Fans, die sich registrieren, erhalten Boni wie zum Beispiel einen Einlass ins Stadion an separaten Eingängen.

 

„Gangsterserie“ in der zweiten russischen Liga
Schon im vorhergegangenen Newsletter berichteten wir von zahlreichen Unregelmäßigkeiten, die in Bezug auf die Corona-Bestimmungen in der zweiten russischen Liga zu beobachten sind. Ein Verein, den es dabei besonders hart getroffen hatte, war Dynamo Briansk, wo sich die Affäre um abgesagte Spiele und Gegner mit infizierten Spielern zu einer, wie es Sports.ru ausdrückte wahren „Gangsterserie“ entwickelt hat. Dabei soll es um betrügerische Tests, Androhungen von Gewalt gegen Vereinsmitglieder und eine Auseinandersetzung zwischen dem ehemaligen Kapitän des Teams, Andrej Lukantschenkow, und dem Leiter des Teams Walery Kornejew gehen, der bis letztes Jahr als Sportminister der Region Brjansk tätig war. Im September waren gegen Briansk aufgrund von Corona-Fällen gleich drei abgesagte Partien als Niederlagen gewertet worden. Diesbezüglich hat der Verband der zweiten russischen Liga eine interne Revision begonnen.


Auf Dächern von Güterzügen zum Auswärtsspiel
Ein legendäres Interview mit Fußball-Fans aus Rostov auf Sports.ru gibt einen wunderbaren Einblick über Auswärtsfahrten in der russischen Liga in den 1990er Jahren. Damals war es üblich, dass Fans bei Auswärtsspielen ihrer Teams aufgrund der extrem langen Anfahrten kostenlos ins Stadion gelassen wurden. Nicht so aber beim Pokalspiel von Rostselmasch Rostow bei Arsenal Tula 1997. Im Video-Interview, welches von einem Korrespondenten aus Tula mit den konsternierten Fans aus Rostow gemacht wurde, berichten die von einer abenteuerlichen Anreise per Anhalter und auf Dächern von Güterzügen. Und davon, wie es oftmals der Verein selber war, der seine treuesten Fans als Mitglieder des Betreuerteams getarnt in die Stadien brachte. Eine außergewöhnliche Fanreise der russischen Fußballblogger Fedos und Nechai nach Tibet ist in diesem Video zu sehen.

 

Pietro Vierchowod - lo Zar
Von der wenig bekannten Familiengeschichte des italienischen Verteidigers Pietro Vierchowod erzählt ausführlich ein Artikel auf Sports.ru. Vierchowods Vater, Iwan Vierchowod, war im zweiten Weltkrieg als sowjetischer Soldat in Italien in Kriegsgefangenschaft geraten und hatte sich aufgrund der stalinistischen Praxis, Kriegsgefangene per se als ausländische Spione zu brandmarken und zu misshandeln, geweigert in die Sowjetunion zurückzukehren. Sein Sohn Pietro, den Iwan mit einer italienischen Frau zeugte, entwickelte sich in den 1980er Jahren zu einem der besten Verteidiger der Welt. Er gewann mit dem AS Rom und Sampdoria Genua den Scudetto und mit Juventus Turin die Champions League und wurde in der Serie A aufgrund seiner sowjetischen Herkunft nur Lo Zar genannt.

 

Saramutin weigert sich zu knien
Für internationales Aufsehen sorgte m vergangenen Monat auch der Fall des russischen Fußballers Waleri Saramutin. Wie auf Sport-Express zu lesen ist, hatte sich Saramutin bei einem Spiel seines Vereins, des US-Zweitligisten Austin Bold, geweigert sich mit den Spielern vor dem Spiel hinzuknien, um damit die Solidarität mit der Black Lives Matter-Bewegung auszudrücken. Während sein Trainer offenbar behauptet, dass die folgende Suspendierung lediglich sportliche Gründe gehabt hat, besteht Saramutin offenbar darauf, dass die Entscheidung ausschließlich politische Gründe gehabt habe. Der russische Mittelfeldspieler erklärte dazu: „Vor dem ersten Spiel nach der Quarantäne knieten alle auf dem Feld nieder, um die Bewegung der Black Lives Matter zu unterstützen. Aber ich blieb stehen, weil ich ehrlich gesagt nicht verstand, warum das jetzt eine ständig zu wiederholende Geste sein soll. Im Gespräch mit meinem Präsidenten drängte er mich mit den Worten: Ich verstehe, das dich das persönlich nichts angeht, aber es ist ein Zeichen des Respekts. Ich selbst finde das mittlerweile übertrieben. Aber der Verein war offenbar der Meinung, ich sollte ein paar Spiele aussetzen, um meine Haltung zu überdenken.“ Der Fall wurde von zahlreichen russischen Zeitungen aufgegriffen und als Diskriminierung des Landsmannes interpretiert

 

Lob für Suspendierung von aserbaidschanischem Pressesprecher
Viel Lob aus Russland gab es hingegen für die Entscheidung der UEFA, den Pressesprecher des aserbaidschanischen Europa League-Vertreters Qarabağ Ağdam aus der umkämpften Karabach-Region auf Lebenszeit für alle Funktionen zu sperren. Wie Sports.ru berichtet, hatte Nurlan Ibrahimow auf sozialen Netzwerken dazu aufgerufen, Armenier zu töten. Die UEFA hat nun von der FIFA gefordert, die lebenslange Sperre auf die ganze Welt auszudehnen. Außerdem wurde Qarabağ Ağdam zu einer Strafzahlung von 100.000 Euro verurteilt.

 

Fast blinder Blogger berichtet über Fußballspiele
Ein sehr interessantes Porträt über einen fast blinden Fußball-Blogger ist auf Sports.ru zu lesen. Darin erzählt Nikita Kashirsky, wie er mit einer Sehkraft von noch lediglich fünf Prozent auf einem Auge Fußballspiele schaut und analysiert. Kashirsky betreibt den Telegramkanal „Essence of the Game“ und hat dort fast sechstausend Follower. Sogar Wassily Utkin, einer der bekanntesten Fußball-Kommentatoren in Russland, hat sich mit einigen Reposts schon lobend über den gehandicapten Kollegen geäußert.

 

Belarus: Fußball und Proteste
Dass sich mehr und mehr Sportler in Belarus hinter die Protestbewegung stellen, haben im vergangenen Monat auch internationale Publikationen beschäftigt. Auf dem Fußball-Blog FootballParadise ist zum Beispiel eine, wenn auch nicht sonderlich detailreiche, dann aber dennoch sehr übersichtliche Zusammenfassung dessen zu lesen, was den belarusischen Fußball seit Beginn der Corona-Krise am Anfang diesen Jahres durchgeschüttelt hat. Darin wird noch einmal an die weltweit einzigartige Fortsetzung des Ligabetriebes im Frühjahr erinnert und daran wie auch schon vor den Wahlen immer zahlreichere Statement gegen das Lukaschenka-Regime die Stadien erreichten. Der Zweitligist FK Krumkrachy, als Symbol eines unabhängigen und kritischen Fußballvereins in Zeiten des Protestes, spielt eine Rolle und auch wie sich der nationale Fußballverband an der Niederschlagung kritischer Stimmen beteiligte. Die abschließende Frage des Autors ist: „Der starke Mann verliert seinen Halt und steht schon jetzt vor einer existenziellen Frage: Wie kann man Menschen Sport geben, ohne die Kontrolle über den dabei stattfindenden Dialog zu verlieren?“

 

Athletenbrief und der Fall Baskow
Neben der FAZ ist es in Deutschland vor allem die taz, welche die Berichterstattung aus Belarus am Leben erhält. So veröffentlichte die taz zum Beispiel in einer ihrer Wochenendausgaben einen umfangreichen Text. der den aktuellen Stand der Sportler-Proteste gegen die gewalttätigen Repressionen des belarusischen Regimes gegen friedliche Demonstranten und beleuchtet dabei auch die eher passive Rolle der Fußballer. Auch zum Thema Eishockey-WM in Minsk und die mutmaßliche Verwicklung von Verbandpräsident Dmitriy Baskow beim Totschlag von Roman Bandarenka war in der taz ein Artikel zu lesen.

 

Das Glied des Kapitäns
Derweil war natürlich auch das geleakte Onanie-Video des Kapitäns der russischen Nationalmannschaft Artjom Dsjuba Thema für die internationalen Medien. Auf sehr amüsante Weise widmete sich dabei der uns schon gut bekannte taz-Redakteur und Russland-Kenner Andreas Rüttenauer dem Thema. In seiner Kolumne „Russisch Brot“ seziert er dabei auch, wie schwer sich die russische Öffentlichkeit mit dem Skandal tat und in welche Skurilitäten sich Protagonisten und die Presse verwickelten. Dass das Thema natürlich auch ganz klar Munition für die Revolver-Presse bot, war es kein Wunder, dass sich auch die britische „Sun“ des Themas annahm. In einem Text ist zu lesen und zu sehen, wie russische Piloten mit einem Passagierflugzeug mittels ihres Flugkurses auf einem Fährtenschreiber das Symbol eines Penis hinterließen und so ihre Solidarität mit Artjom Dsjuba demonstrierten.

 

Der Fall Dynamo Lucescu
Schon in vorhergegangenen Newslettern hatten wir die Probleme des rumänischen Trainers von Dynamo Kiyw Mircea Lucescu mit den Anhängern des sowjetischen und ukrainischen Rekordmeisters thematisiert. Nach Wochen der nach wie vor nicht bereinigten Querelen hat sich nun auch die BBC der Thematik angenommen und diese in einem sehr umfang- und detailreichen Text nochmal sehr gut zusammengefasst.

 

War es wirklich Krieg ohne Waffen?
Ein selten zu lesender Text über die außergewöhnliche Fußball-Tournee von Dynamo Moskau durch Großbritannien im November und Dezember 1945 ist ebenfalls auf der Website von BBC.com zu lesen. Unter der Überschrift: „Was it really 'war minus the shooting?“ wird sehr unterhaltsam die Atmosphäre um das Spiel beschrieben, welches das erste einer britischen Mannschaft gegen ein ausländisches Team nach sechs langen Jahren des 2. Weltkriegs war. Im Stadion an der Stamford Bridge war der FC Chelsea auf den damals besten sowjetischen Verein Dynamo Moskau getroffen. 100.000 Zuschauer sollen im Stadion gewesen sein. Im Text wird dieser denkwürdige Tag so beschrieben: „Die Anwohner vermieteten ihre Vorgärten für die Aufbewahrung von Fahrrädern, an den Straßenecken verkauften die Leute Toffee-Äpfel, Orangen und Programmhefte, während Tickets für vier Pfund verkauft wurden, die ursprünglich 10 Schilling kosteten …. Der Wunsch, das Spiel zu sehen, war unersättlich. Einige stürmten in benachbarte Häuser, um einen Blick darauf zu werfen, andere folgten Schienen- und U-Bahnlinien um das Stadion herum, um unsichtbar hineinzukommen. Unerschrockene und davon viele mit militärischer Ausbildung kletterten auf die Rückseite der Tribünen und saßen dort todesmutig dreißig Meter hoch auf den Dächern des Stadions.“ Der Artikel beschreibt auch wie aus der anfänglich alliierten Kameradschaft zwischen Sowjets und Briten schon Ende 1945 tiefes Misstrauen geworden war (weshalb George Orwell die Dynamo-Tour auch als "Krieg minus das Schießen" bezeichnet hatte) und wie die damals noch fußballerisch selbstverliebten Briten von einer „Gruppe gemeißelter, mysteriös aussehender Fußballer aus einer mindestens ebenso mysteriös erscheindenden Weltgegend“ eine Lektion in Sachen moderner Fußball erteilt wurde. Dynamo Moskau spielte gegen Chelsea, Arsenal, Cardiff und die Glasgow Rangers, wobei sie mit zwei Siegen und zwei Unentschieden die Insel unbesiegt wieder verließen. Entsprechende Video-Material lässt sich unter anderem auf RussianFootballNews finden.

 



Unsere Filmreihe
Mittlerweile sind neun unserer Filme aus der Reihe "Pogovorim pro fankulturu" (Lasst unser übber Fankultur reden) aus unserem hauseigenen YouTube-Kanal dAch TV veröffentlicht. Bei der Filmpremiere am vergangenen Sonntag stand Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte bei der dsj, im Mittelpunkt des Geschehens. Er erklärte und erzähle, wie und warum sich die Selbstorganisation der Fans seit Anfang der Neunziger in Deutschland entwickelt hat.


Wir zu Gast beim taz Talk
Am 26. November 2020 waren wir beim taz talk zu Gast, wo wir über die Proteste in Belarus und die Rolle von Fußball und Sport gesprochen haben. Durch das Gespräch führte Andreas Rüttenauer, der auch schon mehrmals Referent bei unseren Seminaren war. HIER könnt Ihr das Gespräch anschauen.

 

Projekt: "Sport und Gesellschaft"
Auch innerhalb des Netzwerkes von dAch und Fankurve-Ost wurden in den vergangenen vier Wochen wieder einige Projekte vorangetrieben. Zum Beispiel berichteten wir ja schon im vergangenen Newsletter von unserem Teil-Projekt „Artikel zur Interaktion von Sport und Gesellschaft in Ukraine, Belarus und Russland“. Mittlerweile haben sich zahlreiche Autoren aus diesen drei Ländern beworben. Etwa 80 Artikel sind nun „in der Mache“. Einige sind (auf Russisch) bereits fertiggestellt, weitere werden bis Weihnachten folgen. Etliche der Artikel werden dann ins Deutsche übersetzt. Im kommenden Newsletter werden wir dann hoffentlich bekanntgeben können, wo diese Artikel öffentlich zugänglich gemacht und gelesen werden können. Wir wollen so einen außergewöhnlichen Einblick aus verschiedenen Blickwinkeln zum Thema „Sport und Gesellschaft in Osteuropa“ bieten.

 
Das war´s mit der, Ihr werdet es vielleicht nicht bemerkt haben, 50. Ausgabe unserers Newsletters, den wir wir seit 2018 betreiben. Zündet gerne eine Geburtstagskerze für uns an. Bis bald!

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